März 20

Vernunft, die sich im Entschluss entfaltet

Buchvorstellung

Karl Jaspers

Vernunft und Widervernunft in unserer Zeit.

Drei Vorlesungen.

Neuausg.

München: Piper, 1990 [(1) 1950].

Taschenbuch, 71.

ISBN 3-492-11199-8

[Die Quellenangabe bezieht sich auf die der Rezension zugrunde liegende Ausgabe]

Rezension und Hintergrund

„Vernunft will nicht durch Vergessen schuldig werden, nicht in einer Scheinharmonie das Eine verlieren, nicht durch Verschleierung sich betrügen.“[1]

Dem Hang des Menschen, sich dogmatisch an eine Ideologie zu klammern setzt Jaspers die Vernunft, die sich in der Freiheit des Menschen im selbständigen bewusstem Entschluss entfaltet, entgegen. Gegen den Machbarkeitswahn und den „Wissenschaftsaberglauben“ setzt er das von der Vernunft geforderte kritische Hinterfragen. Nur in der Kommunikation mit anderen Menschen können wir zur Wahrheit finden.

„Wir wissen voneinander nichts Wesentliches, außer wenn wir miteinander in Kommunikation treten.“ [2]

Karl Jaspers war Wissenschaftler, Arzt und Psychiater, er war vielleicht der bedeutendste Philosoph des zwanzigsten Jahrhunderts, und er war ein kritischer politischer Schriftsteller. Hannah Arendt sagte von ihm, er sei “in … eigentlich jeder Hinsicht der einzige Nachfolger …, den Kant je gehabt hat”[3]. Für Jaspers war Philosophie nie eine Sache für den akademischen Elfenbeinturm, sondern immer für den einzelnen denkenden und fühlenden Menschen. Entsprechend hat er auch immer wieder die akademischen Mauern verlassen und die Öffentlichkeit gesucht. Von manchem Zeitgenossen als unbequem empfunden hat er nicht nur zu philosophischen Fragen Stellung bezogen, sondern auch zu politischen (was ja ohnehin nicht wirklich trennbar ist). Die Forderung nach Menschlichkeit sprach immer wieder aus seinen Worten. Die Frage nach der Existenz, die Kommunikation mit anderen Menschen als existenziell wesentlich, die Erörterung von Vernunft als oberstem Erkenntnisvermögen sind zentrale Themen in seiner Philosophie. Und vor diesem Hintergrund erörtert Jaspers in seiner Philosophie besonders die Liebe als existenziell wesentliche positive und eigentlich sinnstiftende Kraft. „Liebend sehe ich erst, was eigentlich ist.“[4] Im liebenden Kampf finden die Liebenden zu sich und zu einander. Kommunikation bekommt hier ihren ganz besonderen Sinn, denn nur in Kommunikation erfahren wir Wesentliches.

Auch dieses Buch wird derzeit leider nicht mehr verlegt.

Umschlagtext

An Marxismus und Psychoanalyse entwickelt Karl Jaspers den Sinn der Wissenschaft und das Wesen der Vernunft, jenes »Wesentliche und Allumgreifende des Philosophierens …, worin wir vielleicht wieder einen gemeinsamen Boden finden«.

Jaspers zeigt die Vernunft im Kampf gegen Widervernunft. So öffnet sich der Raum der Freiheit, in dem die Macht der Ideologie und der Demagogie erlischt.

Ein Text, der auch vierzig Jahre nach seiner Veröffentlichung noch aktuell ist.

[1] Jaspers, Karl: Vernunft und Widervernunft in unserer Zeit: Drei Vorlesungen. Neuausg. 3. Aufl. München: Piper, 1990 [(1) 1950], S. 34.

[2] Jaspers, Karl: Vernunft, S. 40.

[3] Arendt, Hannah: Humanitas. Laudatio anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an Karl Jaspers 1958. Frankfurt am Main: Börsenverein des deutschen Buchhandels, o. J. [1958], S. 3 (http://www.boersenverein.de/sixcms/media.php/806/1958_jaspers.pdf).

[4] Jaspers, Karl: Von der Wahrheit. Lizenzausg. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1983 [1947 (1)], S. 992.


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Veröffentlicht20. März 2011 von Schriftleiter in Kategorie "Philosophie", "Philosophie", "Wissenschaft", "Wissenschaft