Jägerlatein
Jägerlatein – Geschichten von einem Raufbold
Kommentar zum Artikel „Der versteckte Hirsch“ in der Wild und Hund Nr. 3/2010.
Von Rainer Elsner
Um es gleich vorne weg zu klären. Dieser Beitrag richtet sich nicht gegen die Jäger und will auch nicht alle Jäger in die braune Ecke stellen! Allerdings habe ich mit etwas Verwunderung bei einem befreundeten Jäger diesen Artikel und die Reaktionen darauf in der genannten Zeitschrift gelesen. Darauf hin stellte sich mir die Frage: Was fasziniert deutsche Jäger an einer Hirschskulptur aus dem Dritten Reich? In der Jagdzeitschrift Wild und Hund wurde im Heft 3/2010 auf den Seiten 100 und 101 eine Artikel veröffentlicht, in welchem über die Geschichte einer lebensgroßen Hirschskulptur berichtet wird. Die Skulptur wurde im Auftrag von Hermann Göring gefertigt und stellt einen Hirsch dar, den der damalige Ministerpräsident von Preußen, Oberbefehlshaber der Luftwaffe und Reichsjägermeister Göring erlegt hatte. Das Tier erhielt den Spitznamen „Raufbold“. Bei der Reichjagdausstellung 1937 in Berlin bekam die Skulptur einen exponierten Platz vor dem Eingang der Ausstellung. Der gesamte Beitrag in der Wild und Hund befasst sich mit der Geschichte dieser Skulptur. In einem unbefangenen Tonfall wird beschrieben, dass der Hirsch sogar die DDR überlebt hat und nun versteckt in einem Park im Osten Berlins auf seine Besucher wartet. Gestallterisch wird der Artikel von einem Foto des monumentalen Eingangsportals der Jagdausstellung von 1937 dominiert. Ein weiteres Bild zeigt einen freundlichen Göring mit dem erlegten Hirsch. Mit keiner Silbe wird in dem Artikel darauf eingegangen, welche menschenverachtenden Verbrechen Hermann Göring mit zu verantworten hatte. Dies gab den Anlass, folgenden Leserbrief zu verfassen:
Leserbrief zum Artikel „Der versteckte Hirsch“
Es ist ja vielleicht tatsächlich interessant, zu wissen, wo der besagte Hirsch verblieben ist. Allerdings fragt sich, warum? Jagdtrophäen sind in fast jedem Jagdhaushalt zu finden. Wege zu Hirschskulpturen finden sich zum Beispiel mit der Google-Bildersuche. Und bei einer Beschäftigung mit dem Dritten Reich helfen das Lesen von Geschichtsbüchern, das Betrachten von Dokumentarfilmen und der Besuch von Museen und Gedenkstätten.
Was bleibt also übrig? Vielleicht ein Gedenken an den Reichsjägermeister? Diese Vermutung drängt sich auf. Denn was sonst macht diesen einen Hirsch so interessant und besuchenswert? Verstärkt wird diese Vermutung dann auch von der Tatsache, dass im besagten Artikel ja einfach nur vom Reichsjägermeister geschrieben wird.
Aber wer war denn nun dieser „liebe“ Reichsjägermeister Hermann Göring? Ist die Geschichte dieses wohl bekanntesten deutschen Jägers dem Autor nicht geläufig? Oder warum wird mit dieser Person so unbekümmert umgegangen?
Zur Erinnerung vereinfacht zusammengefasst: Herr Göring war ein drogensüchtiger und größenwahnsinniger Massenmörder. Er gehörte zu den Menschen, die von Anbeginn an der Beseitigung der demokratischen Weimarer Verfassung gearbeitet haben. Und Hermann Göring ist auch federführend verantwortlich für den Tod von mindestens etwa 6 Millionen Menschen! Er hat 1941 Reinhard Heydrich mit der „Endlösung der Judenfrage“ beauftragt.
Demokratisch gesinnte Menschen fragen sich: Was bitteschön ist an Symbolen der Geltungssucht dieses Mannes (be)suchenswert?
Der Stumpf sitzt auf der rechten Seite
Ein Abdruck des Leserbriefes fand bisher (die nachfolgenden drei Ausgaben) nicht statt. Das ist für sich noch kein nennenswerter Sachstand. Jedoch verwundert es, wenn dann folgender Abdruck eines Leserbriefes zu diesem Artikel erfolgt:
„Der „versteckte Hirsch“
Bericht von einem ganz besonderen Ostpreußen. WuH 3/2010, Seite 100
Links und rechts
Der Stumpf der abgebrochenen Eissprosse sitzt bei „Raufbold“ nicht wie geschrieben auf der linken, sondern auf der rechten Stange … Anm. der Red.: Stimmt. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.“
Wild und Hund, 6/2010, S. 102.
Dies schwächt den Eindruck, dass mit diesem Artikel in stillschweigendem Einvernehmen ein Göring-Kult gepflegt wird, nicht gerade ab.
Der anerkannte Jagdflieger
Nun war Hermann Göring nicht der klassische Nazi. Er verfolgte immer auch eigene Ziele, die nicht zu jeder Zeit mit der Nazi-Ideologie konform gingen. Jedoch arrangierte er sich schon früh in der Weimarer Republik mit Hitler und den Nazis und brachte es so bis in höchste Machtpositionen. Er ließ die ersten Konzentrationslager bauen, veranlasste die Gründung der Gestapo und befahl die Vernichtung der Juden. Auch wenn Hermann Göring im Ersten Weltkrieg vielleicht ein allgemein anerkannter deutscher Jagdflieger war, darf seine Mitverantwortung für die Verbrechen der Nazis bei der Auseinandersetzung mit seiner Person nicht unerwähnt bleiben.