September 30

#5 Wie sinnvoll und verantwortbar ist die Energiesparlampe?

Wie sinnvoll und verantwortbar ist die Energiesparlampe?

Eine kurze, kommentierte Recherche

Denk-Anstoß #5 – im Ostfalen-Spiegel

Von Rainer Elsner

„Im Ergebnis aller vorliegenden Untersuchungen stützt das Umweltbundesamt das EU-Ziel, herkömmliche Glühlampen binnen weniger Jahre – mit Ausnahmen – vom Markt zu nehmen und durch moderne, deutlich energieeffizientere Lampen zu ersetzen. Die Risiken im Umgang mit Energiesparlampen sind begrenzt und beherrschbar. Die Klimavorteile der Energieeinsparung bei der Beleuchtung sind groß und helfen bei der Umstellung der Stromerzeugung in Deutschland auf regenerative Energiequellen.“[1]

Seit einigen Monaten wird an vielen Orten diskutiert, dass die Energiesparlampe (genauer die Kompaktleuchtstofflampe) hoch gefährlich ist und zudem keinen energetischen Vorteil gegenüber der „guten alten“ Glühlampe hat. Schnell hat sich diese Information ausgebreitet und schnell wurde sie von vielen Menschen ungeprüft als richtig übernommen. Die auch nicht mehr ganz junge Energiesparlampe hat plötzlich den Ruf einer Giftpflanze.

Ein „Dokumentarfilm“

Ausgelöst wurde diese Diskussion um die Energiesparlampe vor allem von dem „Dokumentarfilm“ Bulp Fiction. Dieser Film deckt angeblich die Gefahren der Lampe, Einflussnahmen der Lampenkonzerne auf die Politik und obendrein auch noch einen mangelnden Einspareffekt auf. All das wurde (und wird) hernach ungeprüft von zahlreichen Journalisten bis hinein in die öffentlich-rechtlichen Medien verbreitet.[2] Und auf der Internetseite des Films wird sogar eine Empfehlung des Österreichischen Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur zitierte.[3] All das geschieht, obwohl der Film wirklich nachprüfbare Beweise schuldig bleibt.[4] Die Tragweite des Vorganges wird daran deutlich, dass die Akteure in den Medien und Ministerien diese Information weiterverbreiten, obwohl sie teilweise sogar eine wissenschaftliche Ausbildung absolviert haben, also kritisches Denken und eine korrekte Beweisführung gelernt haben müssten. Dem Physiker Rüdiger Paschotta kam schon die Sokal-Affäre in den Sinn, in welcher ein Wissenschaftler absichtlich – sozusagen zur Vorführung – Unsinn veröffentlicht hatte.[5] Allerdings ist dieser Film allem Anschein nach ernstgemeint.

Kritische Beobachter wurden allerdings skeptisch, warum nach bald 30 Jahren ihrer Existenz die Energiesparlampe plötzlich nicht nur besonders gefährlich sein soll, sondern auch keinen Energiespareffekt haben soll. Wenn dies so wäre, erscheint es u. a. auch sehr unwahrscheinlich, dass irgendein ernstzunehmender Umweltverband diese Lampen bis heute befürwortet. Genau das tun aber diese Verbände unverändert.[6] Die Umweltverbände tun dabei das einzig vernünftige, sie ignorieren die Risiken nicht, gehen aber angepasst an das tatsächliche Gefahrenpotential damit um. Die Umweltverbände sprechen sich unverändert für den Einsatz der Energiesparlampen aus, machen auf die Gefahren aufmerksam, erklären den richtigen Umgang damit und fordern zugleich von Herstellern und Politik eine Verbesserung von Technik und Entsorgung.[7]

Was die Gefahren des Quecksilbers betrifft, so enthalten die von ihrem Ursprung her seit 150 Jahren existierenden Leuchtstoffröhren (fälschlich häufig auch Neonröhren genannt) eine größere Menge als die Energiesparlampen und führen somit beim Bruch auch zu einer größeren Verunreinigung der Raumluft.[8] Und alle diese Lampen wiederum sind nicht die größten Quellen für Quecksilber in der Umwelt. Zum Beispiel das Verbrennen von Kohle in Kraftwerken setzt deutlich mehr Quecksilber frei – und das nicht nur zunächst theoretisch (denn die Energiesparlampen setzen das Quecksilber nur frei, wenn sie zerbrechen oder später falsch entsorgt werden!), sondern jeden Tag ganz praktisch.[9]

Der Einsatz von Energiesparlampen ist unverändert sinnvoll, notwendig und verantwortbar

Aufgrund der eingeschränkten Zeit, die mir zum Recherchieren zur Verfügung steht, mag es an der einen oder anderen Stelle noch Ergänzungsbedarf geben. Aber ich kann nicht erkennen, dass ich an meiner Grundaussage, der Einsatz von Energiesparlampen ist bei Beachtung von wenigen Sicherheitshinweisen sowie einer fachgerechten Entsorgung unverändert sinnvoll, notwendig und verantwortbar, etwas ändern muss. Sicher ist der Einsatz eines giftigen Stoffes wie Quecksilber immer mit Problemen verbunden. Aber solche Probleme finden wir bei vielen unserer technischen Geräte, wo die damit verbundenen Probleme häufig kaum weniger folgenschwer sind, mitunter sogar deutlich schwerer als bei der Energiesparlampe. Bei der Entscheidungsfindung kommt es dann auf die Beherrschbarkeit der Probleme und Folgen an. Und die sehe ich bei der Energiesparlampe unverändert als gegeben an. Selbstverständlich müssen die eingesetzten Stoffe, Produktion, Recycling und Entsorgung weiter verbessert werden, aber das war (und ist) z. B. bei Batterien (die ebenfalls Schwermetalle enthalten) nicht anders. Und eine Befürwortung der Energiesparlampe schließt die Suche nach Alternativen nicht aus. Möglicherweise ist es die LED-Lampe, sicher ist das aber noch nicht.

Aus den bereits genannten Quellen und weiteren im Quellennachweis am Ende des Textes aufgelisteten Quellen ergibt meine Recherche folgende wichtige Aussagen:

  • Energiesparlampen sind definitiv (also gesamtbilanziert) deutlich sparsamer als herkömmliche Glühlampen. Somit tragen sie zur Energieeinsparung bei, welche u. a. aufgrund der drohenden Klimakatastrophe unbedingt notwendig ist.
  • Der Quecksilbergehalt von Energiesparlampen ist geringer als der von Leuchtstoffröhren verbunden mit den entsprechenden Folgen beim Bruch beider Lampenarten. Leuchtstoffröhren sind dabei seit vielen Jahrzehnten allerorten im Einsatz, ohne das besondere „Verseuchungen“ bekannt sind.
  • Wegen des Quecksilbergehaltes sind alle Leuchtstofflampen mit der notwendigen Vorsicht zu handhaben. Ein entsprechend behutsamer Umgang mit den Lampen ist aber zur Risikominimierung in der Regel ausreichend.
  • Das Hauptargument, die Quecksilbergefahr aus Energiesparlampen, wird nach bisheriger Erkenntnis in den gegen Energiesparlampen gerichteten Veröffentlichungen deutlich zu hoch bewertet, erstrecht im Vergleich zu anderen Quellen wie z. B. den Emissionen aus Kohlekraftwerken.
  • Beim Bruch einer Energiesparlampe ist sofortiges Lüften von mindestens 15 bis besser 30 Minuten und das geschützte Beseitigen der Bruchstücke ausreichend, um den Quecksilbergehalt der Raumluft wieder unter die vertretbaren Grenzwerte zu bekommen und eine Vergiftung zu verhindern. Eine kurze Anleitung gibt es z. B. im zugehörigen Wikipedia-Artikel. Für den Einsatz in Kinderzimmern sollten ggf. extra gekapselte Varianten genutzt werden.
  • Problematisch sind Energiesparlampen aus Billigproduktionen, wie es u. a. die Deutsche Umwelthilfe (DUH) festgestellt hat. Auch aus persönlicher Erfahrung kann ich sagen, dass gute Markenware tatsächlich über viele, viele Jahre zuverlässig funktioniert, Billigprodukte vom Diskounter hingegen nicht immer.
  • Wichtig ist, dass alle, die mit den Energiesparlampen umgehen (also Verbraucher, Verkäufer, Entsorger, …) entsprechend informiert bzw. geschult werden, um sorgsam mit den Lampen umzugehen.
  • Der genannte Film Bulp Fiction ist allem Anschein nach hauptsächlich effekthaschende Propaganda gewürzt mit Verschwörungstheorien und leider absolut keine sorgfältig und belastbar recherchierte Verbraucherinformation. Eine wirklich gute, verständliche und ausführliche Auseinandersetzung mit dem Film finden alle Interessierten, wie schon angemerkt[10], unter folgender URL: http://www.energie-lexikon.info/bulb_fiction.html.

Einflussnahme auf die Politik

Neben den Gefahren wurde in Bulp Fiction auch die Einflussnahme der Wirtschaft auf die Politik kritisiert. Auch diese Kritik ist grundsätzlich sogar berechtigt, nur in diesem speziellen Thema wohl eher fehl am Platz und dadurch sogar kontraproduktiv. Denn damit wird von den wirklich skandalösen Einflussnahmen, die leider tatsächlich stattfinden, sogar noch abgelenkt. Die Energiesparlampe ist für diese Kritik also kein guter Ansatz. In anderen Bereichen wie Public-Privat-Partnership im Bereich der Energie- und Wasserversorgung zum Beispiel, beim Emissionshandel für CO2 oder bei der Automobilindustrie wäre eine solche Kritik vermutlich deutlich angebrachter.

Die mitunter zugleich angeführte absichtliche Verkürzung von Lebenszeiten technischer Geräte gibt es sicherlich. Aber wenn solche Vorwürfe erhoben werden, müssen sie im Einzelfall nachgewiesen werden. Und sie ist ein grundsätzliches Problem unseres derzeitigen Wirtschaftssystems. Auch hier gibt es aus meiner Sicht zudem schwerwiegendere Felder als gerade Lampen.

sehr bedenklich und kontraproduktiv

Angesichts der wirklich bedrohlichen ökologischen Probleme wie der voranschreitenden Erderwärmung oder dem Ressourcenverbrauch, sehe ich solche Initiativen gegen eine sinnvolle Einspartechnik als sehr bedenklich und kontraproduktiv an. Aus meiner Einschätzung ist das an gleicher Stelle anzusiedeln, wo die sogenannten Klimaskeptiker anzusiedeln sind, in einem Kreis von Menschen, der – aus welcher Motivation heraus auch immer – lieber offensichtliche Gefahren leugnet und weiter machen will wie bisher als vernünftig und verantwortungsbewusst zu handeln.[11]

Dass dann von vielen außenstehenden Akteuren ohne eigene Recherche lieber eine aufgebauschte Verschwörungstheorie geglaubt wird als sauber recherchierten, mit nachprüfbaren Quellen belegten und sachlich fundierten Argumenten zu folgen, ist ein widervernünftiges Phänomen unserer Zeit, was mittlerweile leider bei vielen Themen zu finden ist.

Ich kann es aber eigentlich nur schwer nachvollziehen, wenn jemand im „aufgeklärten“ und gebildeten Deutschland diffuser, den eindeutigen Nachweis schuldig bleibender Panikmache auf Dauer (dass sich jemand von den Berichten zunächst beeindrucken lässt, ist nachvollziehbar) mehr Glauben schenkt als einer anerkannten Umweltbehörde, zahlreichen anerkannten Umweltverbänden und kompetenten Wissenschaftlern. Deshalb ist meine Empfehlung, vor einer Beurteilung der Energiesparlampe zunächst ggf. auch noch die nachstehend aufgeführten Quellen eingehend zu studieren.

Wolfenbüttel, 30. September 2012

Quellen:

[1] Umweltbundesamt (UBA): Hintergrund: Energiesparlampen in der Diskussion. Informationsbroschüre. Dessau-Roßla: UBA, 2011, S. 5 [PDF-Datei] http://www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/3964.pdf, im Internet abgerufen am 25.09.2012.

[2] Z. B. in einem sehr tendenziös anmoderierten Beitrag der Sendung Quer des Bayrischen Rundfunks: http://blog.br.de/quer/tag/energiesparlampe, im Internet abgerufen am 29.09.2012;

oder in einem Online-Beitrag der Zeitung Die Welt des Springerverlags: http://www.welt.de/kultur/kino/article106387513/Wie-es-zur-Diktatur-der-Energiesparlampen-kam.html, im Internet abgerufen am 29.09.2012.

[3] Bulp Fiction – Der Film / Schule: http://www.bulbfiction-derfilm.com/film/schulen, im Internet abgerufen am 29.09.2012 [Hinweis: Der Link zum Österreichischen Ministerium führt mittlerweile ins Leere].

[4] Paschotta, Rüdiger: „Bulp Fiction: ein Propagandafilm gegen die Energiesparlampe“ in Das RP-Energie-Lexikon [Internet-Lexikon], http://www.energie-lexikon.info/bulb_fiction.html, im Internetabgerufen am 26.09.2012.

[5] Paschotta, Bulp Fiction.

[6] Das schreiben Umweltverbände zur Energiesparlampe:

BUND: „Das Ende der Glühlampe: ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz“ und „BUND begrüßt Verbot, fordert aber Verbesserung der Energiesparlampen“ http://www.bund.net/index.php?id=3269, im Internet abgerufen am 29.09.2012.

DHU: „„Es gibt immer wieder zu wenig Licht für den Klimaschutz. Schon mit dem Einsatz energiesparender Lampen und deren korrekter Entsorgung – wie auch der anderer Altgeräte – können wir beispielsweise zum Umwelt- und Klimaschutz beitragen. Mit ausgedientem Hi-Tech gewinnen wir wertvolle Rohstoffe, sparen natürliche Ressourcen und entlasten das Klima. So retten wir auch mit kleinen Änderungen unserer Gewohnheiten die Eisbären.“ Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe e.V.“, http://www.duh.de/energiesparlampe.html, im Internet zuletzt abgerufen am 29.09.2012.

NABU: „„Der Glühlampen-Ausstieg fördert die effizientere Nutzung von Energie, schont die Umwelt und gleichzeitig den Geldbeutel der Verbraucher“, erklärte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller“ http://www.nabu.de/presse/pressemitteilungen/index.php?popup=true&show=5911&db=presseservice, im Internet zuletzt abgerufen am 29.09.2012.

[7] Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): Die Energiesparlampe: Ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz: Beleuchtung muss umwelt- und gesundheitsverträglich werden. Berlin: BUND, 2009; [PDF-Datei] http://www.bund.net/fileadmin/bundnet/publikationen/energie/20090826_energie_energiesparlampen_hintergrund.pdf, im Internet abgerufen am 29.09.2012;

Deutsche Umwelthilfe (DUH):Energiesparlampen: Wertvoll für den Klimaschutz – zu wertvoll für den Müll. Informationsblatt. Radolfzell: DUH, o. J. [PDF-Datei] http://www.duh.de/uploads/media/DUH-Infoblatt_Energiesparlampen_02.pdf, im Internet abgerufen am 29.09.2012;

–DUH: „Energiesparlampe: Aktuelles“, http://www.duh.de/energiesparlampe.html, im Internet zuletzt abgerufen am 29.09.2012;

–DUH: „Licht an für das Klima: Energiesparlampen sind praktischer Umweltschutz“, Informationsbeitrag auf der DUH-Internetseite, http://www.duh.de/2849+M5f4cfb02e79.html, im Internet zuletzt abgerufen am 29.09.2012;

–DUH: Ramsch-Energiesparlampen: DUH stoppt BILD und Rewe bei irreführender Werbung“, Informationsbeitrag auf der DUH-Internetseite, http://www.duh.de/2992.html, im Internet zuletzt abgerufen am 29.09.2012;

Naturschutzbund Deutschland (NABU): „Gerüchte um die giftige Birne“ Informationsbeitrag auf der NABU-Internetseite, http://www.nabu.de/themen/energie/energieeffizienz/10471.html, im Internet abgerufen am 29.09.2012.

[8] UBA, Energiesparlampen in der Diskussion, S. 3.

[9] Paschotta, Rüdiger: „Energiesparlampen: tödliche Gefahr durch Quecksilber?“ in Das RP-Energie-Lexikon (Internet-Lexikon), http://www.energie-lexikon.info/energiesparlampen__toedliche_gefahr_durch_quecksilber.html, im Internet abgerufen am 26.09.2012;

Wikipedia: Kohlekraftwerk\Schadstoffausstoß, http://de.wikipedia.org/wiki/Kohlekraftwerk, im Internet abgerufen am 28.09.2012;

sowie

Wikipedia: Quecksilber\Umweltemissionen, http://de.wikipedia.org/wiki/Quecksilber#Umweltemissionen, im Internet abgerufen am 30.09.2012.

[10] Paschotta, Bulp Fiction.

[11] Vgl. z. B. auch meine „Gedanken zum Zeitgeit VIII“ – ENERGIE – Fracking ist nicht das Problem, sondern eine Folge im Ostfalen-Spiegel.

Weitere Quellen und Informationen:

Bulp Fiction – Der Film: http://www.bulbfiction-derfilm.com/, im Internet aufgerufen am 26.09.2012.

Bund der Energieverbraucher: „Glühende Gruselpropaganda“ in Energiedepesche 3-2012, S. 18-19; zu lesen auch im Internet auf der Seite vom Bund der Energieverbraucher unter http://www.energieverbraucher.de/de/Zuhause/Beleuchtung/site__2440/#con-12976, im Internet zuletzt abgerufen am 29.09.2012.

Delleske, Andreas: Energiesparlampen-FAQ, http://www.dellekom.de/info/energiesparlampen-faq, im Internet abgerufen am 28.09.2012.

Paschotta, Rüdiger: „Aberglauben, Halbwahrheiten und Propaganda“ Das RP-Energie-Lexikon (Internet-Lexikon), http://www.energie-lexikon.info/aberglauben.html, im Internetabgerufen am 26.09.2012.

Umweltbundesamt: „Quecksilber aus zerbrochenen Energiesparlampen“ Presseinformation Nr. 58/2010 http://www.umweltbundesamt.de/uba-info-presse/2010/pdf/pd10-058_quecksilber_aus_zerbrochenen_energiesparlampen.pdf, im Internet abgerufen am 26.09.2012.

Wikipedia: Kompaktleuchtstofflampe (Energiesparlampe) http://de.wikipedia.org/wiki/Kompaktleuchtstofflampe, im Internet abgerufen am 26.09.2012.

Bildnachweis: File:Kompaktleuchtstofflampe und Glühlampe.jpg, Foto und Bildunterschrift: Jochen2707 at de.wikipedia, Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 3.0

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August 23

VIII. Energie

ENERGIE – Fracking ist nicht das Problem, sondern eine Folge

Oder anders gesagt

Wir wringen die Erde aus wie einen nassen Schwamm

Gedanken zum Zeitgeist VIII – im Ostfalen-Spiegel

Von Rainer Elsner

„… Dann hätten 12 Menschheitsgenerationen in 400 Jahren die Ergebnisse von 400 Millionen Jahren geologisch-chemischer Aktivität abgefackelt. Inzwischen haben wir mehr als eine Ahnung, welche Folgen das für unsere Umwelt haben wird. Und dabei ist noch kein Wort darüber gefallen, welch kostbare stoffliche Ressourcen wir mit diesem Irrsinn zu 90 Prozent verheizen, verstromen, verfahren und verfliegen, anstatt sie, wenn überhaupt, für die Produktion sinnvoller Güter zu verwerten.“

Frank H. Asbeck, SolarWorld AG [1]

Fracking, die Diskussion um diese Methode der Erdgasförderung erregt seit Monaten nun auch die Gemüter im Braunschweiger Land. – Zu Recht, wie ich meine! Denn für das Erkennen der potentiellen Gefahr, die von dieser Methode ausgeht, muss ich kein „Experte“ sein. Es reicht gesunder (!) Menschenverstand und ein wenig Grundwissen in den Naturwissenschaften (Physik und Chemie) sowie ein Blick auf bereits gemachte Erfahrungen – mit dem Fracking anderswo, mit Chemikalien im Trinkwasser oder mit Häusern, die in alte Bergwerke stürzen. Jedes Handeln in der Welt wirkt auf diese Welt – und häufig nicht nur in die gewünschte Richtung.

Doch wen interessiert das schon, wenn die Bezahlung stimmt, wenn gar Profite locken – oder auch nur unser modernes Luxusleben. Die Menschheit – und weit vorne weg unsere westliche Zivilisation – hat vor allem in den vergangen gut zweihundert Jahren die Erde ausgewrungen, als wäre sie ein nasser Schwamm und verbrannt, was natürliche Prozesse in Jahrmillionen geschaffen hatten. Fracking hat da fast schon Symbolcharakter, da es tatsächlich an das Auswringen eines Schwammes erinnert. Doch der Schwamm füllt sich hernach nicht wieder! [2]

Es wird also Zeit, dass wir unsere Umwelt als Mitwelt begreifen

Es wird also Zeit, dass wir unsere Umwelt als Mitwelt begreifen. Denn nur in und mit dieser Welt können wir als Menschheit überleben. Wir sind ein Teil dieser Welt. Der Begriff Umwelt stammt aus unserer Neigung, alles aufzuspalten, zu fragmentieren und zu separieren, von uns abzusondern. Für das Begreifen von uns selbst wie von einzelnen Teilen ist das sicher wichtig. Für das Verstehen der Welt in ihren Abläufen müssen wir die Teile aber wieder zusammensetzen und ihre Verbindungen und Wechselwirkungen begreifen. Die Welt besteht nicht aus nebeneinander aufgereihten Einheiten, sondern sie ist eine eng verflochtene (vernetzte) Vielheit. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet dies, alles ist mit allem verbunden, jede Beeinflussung eines Systems ist auch Teil des Systems und erfährt auch eine Rückkopplung aus dem System.[3]

Die meisten von uns haben da sicher noch Lernbedarf, sicher auch Menschen, die Verfahren wie dem Fracking ablehnend gegenüber stehen. Zumindest lassen das Plakate wie „Erdgas JA Fracken NO“ [4] vermuten. Denn Fracking ist zwar ein besonders gefährliches Verfahren der Gewinnung fossiler Rohstoff (zumal ggf. in der Nähe vom Endlager Asse 2). Angewandt wird es aber, weil wir einen unbändigen Bedarf an der endlichen (!) Ressource fossiler Energieträger haben mit zahlreichen ungewünschten Folgen vor allem anderswo in der Welt – bis hin zu Kriegen.

Ein Wirtschaften, was sich nicht mehr über Konfrontation und Machtstreben, sonder über Kooperation definiert

Es gilt, diese Zusammenhänge endlich zu begreifen! Die Ausbeutung sämtlicher fossilen und mineralischen Rohstoffe um jeden Preis ist nicht nur auf Profitgier zurückzuführen. Sie ist auch eine Folge unseres unreflektierten und phantasielosen „Luxus- und Konsumlebens“. Ich will das jetzt nicht alles wieder aufzählen, was dazu gehört. [5] Sondern ich möchte dazu aufrufen, dass sich ein jeder und eine jede fragt, wo er und sie endlich dabei mitwirken kann (und es dann auch tut!), eine andere Lebens- und Wirtschaftsweise zu entwickeln und zu praktizieren. Eine Lebens- und Wirtschaftsweise, die sich in die für uns Menschen lebensnotwendigen (!) ökologischen Prozesse integriert und sie nicht unterminiert! Ein Wirtschaften, was sich nicht mehr über Konfrontation und Machtstreben (wenig sozial „den Markt erobern“), sondern über Kooperation (sozial „gemeinsam Lösungen für Aufgaben und Probleme suchen und umsetzen) definiert. – Lehnen wir uns doch bitte alle kurz mal zurück und überlegen beispielsweise (ernsthaft und kritisch!), wie viel Energie täglich verbraucht wird, nur um Güter zu produzieren und zu vermarkten, die nur produziert und vermarktet werden, damit ein Unternehmen Arbeit und Umsatz hat – nicht aber, weil damit echte Bedürfnisse befriedigt, echte Aufgaben erfüllt oder echte Probleme gelöst werden.

Der Lohn könnten ein menschlicheres Miteinander werden, mehr Zufriedenheit und – der Fortbestand der Menschheit

Wir werden nicht von heute auf morgen alles auf null fahren und mit Knopfdruck radikal neu anfangen müssen (und können) – noch nicht! Schließlich braucht das zuvor genannte Unternehmen ja zum Beispiel Arbeit und Umsatz auch, damit alle Menschen darin überleben können. Aber als Menschheit überleben können wir nur, wenn sich dieses Prinzip ändert, sich an die ökologischen und sozialen Rahmenbedingungen anpasst. Wir werden die Weichen in wirklich absehbarer Zeit also umstellen müssen, sonst ist es bald zu spät! – und die Weichen stellen sich „von selbst“. Der Übergang wird vermutlich „unbequem“ sein, und er braucht Phantasie und Mut. Aber er ist machbar! Der Lohn könnten ein menschlicheres Miteinander werden, mehr Zufriedenheit und – der Fortbestand der Menschheit – falls der irgendjemanden interessiert? [6]

Auf den Punkt

Um es polemisch auf den Punkt[7] zu bringen: Während wir hier munter über Solarförderung und Windräder streiten, unser schwerwiegendstes Problem die Auswahl des nächsten Autos, des fünfzigsten Paars Schuhe oder des Ziels für die nächsten Urlaubsreise ist, Politiker noch immer mehrheitlich nur den nächsten Wahlerfolg im Auge haben und Betriebswirte ohnehin nur schauen, wie sie was wie schnell zu wie viel Geld machen können, steigt die Temperatur im Ofen beständig! Mag die Generation der heute 50jährigen noch mit „versenkten Zehen“ davon kommen. Die jüngeren, die heute vielleicht 15 oder 20jährigen, werden „die Glut“ vermutlich schon „am ganzen Körper“ spüren. Mag sein, dass dieser Vergleich zu drastisch klingt. Auf die Menschheit bezogen ist die Lage aber bereits absolut dramatisch, vermutlich sogar in weiten Teilen schon tragisch. Die dem Klimawandel zugrunde liegenden Prozesse sind träge und verschlungen. Das heißt, wenn wir eine Folge spüren, ist die eigentliche Ursache schon lange nicht mehr unmittelbar zu beeinflussen. Und die langfristigen Folgen können wir trotz aller Wissenschaft bestenfalls erahnen. Die Faktenlage war schon zu Zeiten des ersten Berichts an den Club of Rome (1972) alarmierend, heute lässt sie am Prinzip der Entwicklung eigentlich keinen Zweifel mehr übrig. Die Vernunft (!) gebietet es uns dann eigentlich, endlich konsequent gegenzusteuern. Und das bedeutet, dass wir alle – Politikerinnen und Politiker, Wirtschaftsführer, Religionsführer, Oligarchen, Diktatoren, Bürgerinnen und Bürger … – innenhalten, uns unserer Verantwortung als Mensch bewusst werden und uns deshalb von unseren, manchmal ohnehin menschenverachtenden, mitunter auch nur kleinkarierten, kurzsichtigen Egoismen verabschieden und uns auf das besinnen, was uns eigentlich als Menschen besonders macht: unsere Fähigkeit einfühlsam die Verantwortung für unser Handeln zu übernehmen und dann vorausschauend in die Zukunft blickend planen und entscheiden zu können um schließlich gemeinsam mit unseren Mitmenschen verantwortlich zu handeln. Denn nur so wird meines Erachtens die Menschheit noch eine Chance haben, zu überleben.

Diese Worte mögen teils pathetisch, teils naiv und sowieso dramatisch klingen. Das ist Absicht! Denn, nochmal: die Lage ist absolut dramatisch!

„Dies ist ein Aufruf zur Revolution. Die Erde ist in Gefahr. Sie wird nicht fertig mit allem, was wir ihr abverlangen. Sie verliert ihre Balance, und daran sind wir Menschen schuld.“

Charles Mountbatten-Windsor, The Prince of Wales [8]

Nachsatz

Für die Zauderer und Verhinderer in der Wirtschaft(spolitik) mag folgender Satz der Kampaigners für erneuerbare Energien bei Greenpeace International Sven Teske als Denkanstoß helfen:

„Wir sind das Labor. Wenn Deutschland die Energiewende schafft, werden andere nachziehen.“[9]

Das bedeutet, auch für die klassische Wirtschaft steckt ein großes Potential in dieser Herausforderung. Allerdings wird deren Bewältigung nur gelingen, wenn auch die klassische Wirtschaft diesen Prozess nutzt, um sich zügig von der überkommenen Denkweise abzukehren.

Wolfenbüttel, im Sommer 2012

Quellen und Leseempfehlungen:

[1] Frank H. Asbeck: Eine solare Welt: Der SolarWorld-Chef über die Zukunft unserer Energieversorgung. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2009, S. 24.

Asbeck belegt in seinem sehr lesenswerten Buch (u. a.), dass die Nutzung der Sonnenenergie nicht nur die eigentlich naheliegende und umweltfreundlichste Form der Energiegewinnung ist. Er zeigt auch, dass schon in der Entscheidung für ein Wechselstromnetz statt eines Gleichstromnetzes (Photovoltaik produziert Gleichstrom und braucht teure Wechselrichter, um ins öffentliche Netz einzuspeisen oder auch nur um heute übliche Geräte zu betreiben) nicht unbedingt allein technisch begründet war, wohl aber die heute üblichen zentralistischen Netzen mit Großkraftwerken und deren mächtigen Betreibern möglich macht. Unser modernes Stromnetz ist in letzter Konsequenz (siehe Verhalten der großen Energieversorger im Atomausstieg) undemokratisch, Solarstrom ist durch seine dezentralen Strukturen im Prinzip demokratisch. Neben solchen Informationen und fundierten Informationen zur Solarenergie liefert Asbeck auch einen guten und kritischen Überblick über Ursache und Folgen der bereits stattfindenden menschengemachten Klimaänderung.

[2] Vgl. z. B. [1].

[3] Frederic Vester: Unsere Welt – ein vernetztes System. 7. Aufl. Taschenbuchausg. München: dtv, 1991 (1: 1978); und Frederic Vester: Neuland des Denkens – Vom technokratischen zum kybernetischen Zeitalter. 3., durchges. Aufl. Taschenbuchausg. München: dtv, 1991 (1: 1980).

Ein anerkannter Vorreiter des „Vernetzten Denkens“ war der deutsche Biochemiker Fredric Vester, der auch zahlreiche „populärwissenschaftliche“ Bücher zu diesem Thema geschrieben hat. Einen guten Ein- und Überblick geben die beiden zuvor genannten Bücher.

[4] Das angesprochene Foto wurde beispielsweise in der Braunschweiger Zeitung abgedruckt Braunschweiger Zeitung: „Fracking: Der Druck auf die Regierung wächst“ Hintergrundseite, Braunschweiger Zeitung, Nr. 155, 67. Jahrgang, vom 5. Juli 2012, S. 3.

[5] Vgl. dazu z. B. die entsprechenden Hinweise und verlinkten Informationen in meinem Kommentar „Denkanstöße zu einem Windpark“ aus dem Februar 2012 (https://www.ostfalen-spiegel.de/2012/denkanstose-zu-einem-windpark/).

[6] Andreas Weber: Biokapital: Die Versöhnung von Ökonomie, Natur und Menschlichkeit. Berlin: Berlin-Verlag, 2008.

Eine wirklich umfassende Auseinandersetzung zu der, wie (nicht nur) ich meine, größten Herausforderung der Menschheit – der ökologischen und sozialen Krise –, hat Andreas Weber in seinem Buch Biokapital geführt. Wenn Frank H. Asbeck vor allem den Bereich der Energieversorgung aber auch des Klimawandels behandelt (s. o.), dann geht Weber hier mehr auf das Problem im gesellschaftlichen Ganzen ein. Er stellt darin gleichermaßen die Ursachen, die Wirkungen wie auch Lösungsmöglichkeiten vor. Gerade auch den zwingenden Umbau unseres Wirtschaftssystems wie auch (weil untrennbar zusammenhängend – Wirtschaft ist ein Teil der Gesellschaft!) unseres Gesellschaftssystems behandelt er darin recht ausführlich. Ein Hoffnung-gebendes Buch, das ich jeder und jedem als Leseempfehlung gebe, die und der sich ihrer und seiner Verantwortung bewusst ist und bereit ist, alles wirklich kritisch zu hinterfragen.

[7] Die polemische Form wähle ich an dieser Stelle, um die Bedeutung des Gedankens hervorzuheben – und als Hinweis für die Leserinnen und Leser, die immer gerne alles für ihr Denken passend verstehen und mit wenig reflektiertem „Hau-drauf-Argumentieren“ reagieren. Selbstverständlich muss unverändert bei jeder neue zu errichtenden technischen Anlage, also z. B. auch bei jeder Windkraftanlage, die Auswirkung auf Mensch und Natur unbedingt mit berücksichtigt werden. Aber wir müssen (!), wenn wir unsere Verantwortung für andere Menschen heute und in der Zukunft anerkennen, für uns selbst ernsthaft, kritisch und einfühlsam abwägen, wer gegebenenfalls welchen Preis zahlen muss – und dann ist der von mir zu zahlende Preis mitunter vielleicht ja erträglicher als der sonst von anderen Menschen zu zahlende Preis. Mal (!) wird dann auch eine Windkraftanlage nicht gebaut, Produkte wie ein SUV werden dann aber sicher weitgehend überflüssig werden. Einfach ist das möglicherweise nicht immer, aber ich sehe akut keine andere Lösung!

[8] The Prince of Wales mit Tony Juniper und Ian Skelly: Harmonie: Eine neue Sicht unserer Welt. München: Riemann Verlag, 2010, S. 9.

[9] Andrea Hösch: „Pioniere der Energiewende: Erneuerbare – Greenpeace nimmt Politik und Konzerne ins Visier“, Greenpeace Nachrichten 03/2012, S. 4.

Gedanken zum Zeitgeist

In den Gedanken zum Zeitgeist erscheinen in loser Folge kritische Kommentare zur aktuellen gesellschaftlichen und politischen Entwicklung in Deutschland und der Welt. Die einzelnen Gedanken zum Zeitgeist fokusieren in der Regel ein Thema und setzen auch unterschiedliche Schwerpunkte.  Grundsätzliche Standpunkte wie auch der philosophische Unterbau werden dabei nicht jedes Mal neu dargelegt. Für ein besseres Verständnis der Basis der geäußerten Kritik ist es also sinnvoll, nach und nach alle Gedanken zum Zeitgeist zu lesen und auch die Seite Ostfalen-Spiegel.

Juni 2

Wahrscheinlichkeit von Reaktorunfällen in Westeuropa besonders hoch

Das Spiel mit dem Feuer

Wahrscheinlichkeit von Reaktorunfällen in Westeuropa besonders hoch

Mainz / Landau / Wolfenbüttel, 29.05. / 02.06.2012. (re) Vernünftige Menschen sind sich dessen schon lange bewusst. Nun berichten die NachDenkSeiten in ihren „Hinweisen des Tages“ von einer Studie des Max-Planck-Instituts für Chemie aus Mainz, die das Risiko der Atomkraft deutlich benennt und dabei die bisher diskutierte Wahrscheinlichkeit deutlich erhöht. Der zugrundeliegende Bericht der Max-Planck-Gesellschaft findet sich in „Quelle 1“.

Wolfgang Lieb, Hinweise des Tages vom Dienstag, 29.05.2012, Meldung 13, Lizenz CC BY-NC-ND 2.0:

Der nukleare GAU ist wahrscheinlicher als gedacht

Westeuropa trägt das weltweit höchste Risiko einer radioaktiven Kontamination durch schwere Reaktorunfälle.

Katastrophale nukleare Unfälle wie die Kernschmelzen in Tschernobyl und Fukushima sind häufiger zu erwarten als bislang angenommen. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz haben anhand der bisherigen Laufzeiten aller zivilen Kernreaktoren weltweit und der aufgetretenen Kernschmelzen errechnet, dass solche Ereignisse im momentanen Kraftwerksbestand etwa einmal in 10 bis 20 Jahren auftreten können und damit 200 mal häufiger sind als in der Vergangenheit geschätzt. Zudem ermittelten die Forscher, dass die Hälfte des radioaktiven Cäsium-137 bei einem solchen größten anzunehmenden Unfall mehr als 1.000 Kilometer weit transportiert würde. Die Ergebnisse zeigen, dass Westeuropa – inklusive Deutschland – wahrscheinlich einmal in etwa 50 Jahren mit mehr als 40 Kilobecquerel radioaktivem Cäsium-137 pro Quadratmeter belastet wird. Ab dieser Menge gilt ein Gebiet laut der Internationalen Atomenergie Behörde IAEA als radioaktiv kontaminiert. Die Forscher fordern aufgrund ihrer Erkenntnisse eine tiefgehende Analyse und Neubetrachtung der Risiken, die von Kernkraftwerken ausgehen.

Quelle 1: Max-Planck-Gesellschaft

Quelle 2: Global risk of radioactive fallout after major nuclear reactor accidents [PDF – 10.2 MB]

Siehe auch: Weiterhin Sorge um Fukushima

Besondere Aufmerksamkeit gilt dem Reaktorblock Nummer 4, der zum Zeitpunkt des Tsunami vom 11. März 2011 in Wartung war. Die 1535 Brennstäbe lagerten daher im Abklingbecken ausserhalb der Reaktorschutzhülle. Als der Strom ausfiel, begann das Wasser zu verdampfen, und der Kraftwerkbetreiberin Tepco gelang es nur mit grösster Mühe, Wasser nachzupumpen. Auch wenn die Kühlung heute funktioniert, stellt sich die Frage, wie stabil das Gebäude noch ist, nachdem es von einem starken Erdbeben, einem Tsunami und einer Wasserstoffexplosion erschüttert worden ist. Das Becken befindet sich zwischen dem dritten und dem fünften Stock, der Zugang ist entsprechend schwierig, und sein Gewicht drückt auf die Gebäudestruktur. Falls das Reaktorgebäude 4 einstürzt oder das Wasser ausfliesst, sind die Folgen einer Kernschmelze nach Ansicht von Experten verheerend. Die dort lagernden Brennstäbe enthalten ein Vielfaches der in Tschernobyl freigesetzten Menge an radioaktivem Cäsium. Da das Becken seit der Explosion nicht einmal mehr ein Dach hat, würden die radioaktiven Stoffe in die Umwelt gelangen und je nach Windrichtung und -stärke weite Gebiete verstrahlen. Erst wenn alle Brennstäbe geborgen sind, ist diese Gefahr gebannt. Doch selbst Tepco geht davon aus, dass dies frühestens in dreieinhalb Jahren der Fall sein wird.

Quelle: NZZ

Katgeorie:Atomkraft, Energie, Politik und Gesellschaft, Wirtschaft | Kommentare deaktiviert für Wahrscheinlichkeit von Reaktorunfällen in Westeuropa besonders hoch
März 21

Kritik der Argumente gegen Windkraftanlagen

Kritik der Argumente gegen Windkraftanlagen

Ergänzung zum Kommentar und der anschließenden Diskussion

Eine kommentierte Information – im Ostfalen-Spiegel

Von Rainer Elsner

Am 21. Februar habe ich an dieser Stelle einen Kommentar zu der Auseinandersetzung um den geplanten Windpark im Gebiet zwischen den Ortschaften Ahlum (Stadt Wolfenbüttel) und Dettum (Samtgemeinde Sickte) veröffentlicht [1]. Dieser Kommentar führte (wie durchaus gewünscht) zu einer kleinen Diskussion mit Gegnern des Windparks um die im Kommentar geäußerte Kritik an den Gegnerinnen und Gegnern des Windparks und um die Argumente gegen den Windpark. Der Kern meiner dort geäußerten Kritik hingegen, der Hinweis auf die Gründe für die Notwendigkeit von solchen Windparks und somit die Notwendigkeit, diese Gründe in die Diskussion um Windparks mit einzubeziehen, wurde nicht diskutiert. Allenfalls ein paar Anmerkungen zu erneuerbaren Energien sind zu finden. In der eigentlichen Auseinandersetzung wird dies aber konsequent ausgeblendet – ein kurzer Blick auf die Seite „WindparkADe“ reicht [2].

Offene Diskussion

Auch meine Anregung, dass sich alle Beteiligten zu einer offenen Diskussion um die Errichtung des Windparks zusammenfinden, wurde und wird kompromisslos abgelehnt. Diese kompromisslose Haltung konnte ich auf der Seite der potentiellen Betreiber und Planer nicht antreffen. Diese sind durchaus zu Zugeständnissen bereit. Entsprechend hoffe ich für alle Beteiligten dennoch unverändert, dass sich auch die Seite der Gegner noch bewegt.

Nach einer kurzen Bedenkzeit und der Lektüre von Dokumenten, die angeblich eindeutige Argumente gegen den Windpark liefern, habe ich zu der Diskussion deshalb noch einen Nachtrag veröffentlicht. Darin habe ich angemerkt, dass ich mich leider in meiner Kritik an den Windparkgegnern bestätigt gefunden habe. Denn diese Dokumente liefern nicht so eindeutige Fakten gegen den Windpark, wie das die Aussagen und die „Stimmlage“ der Gegner vermuten lassen. Diese kurzen Hinweise versprach ich, in Kürze zu untermauern – was mit diesem Text nun geschieht.

Kritische Betrachtung

Basierend auf den hier und in meinen anderen Beiträgen genannten Quellen sowie weiteren Gesprächen unter anderem auch mit Vertretern der potentiellen Betreiber und Planer des Windparks versuche ich nun (zum Teil wiederholt!) die Argumente gegen den Windpark Ahlum-Dettum kritisch zu betrachten.

Meinen eigentlich nicht so kompromisslosen Standpunkt, vertrete ich hier nicht noch mal ausführlich. Das habe ich in meinem zugrundeliegenden Artikel „Ein Windpark sorgt für aufgeheizte Diskussionen“ nebst Kommentar-Erwiderungen [1] sowie meinem Diskussionspapier für die Ratsfraktion der Wolfenbütteler Piratenpartei [3] bereits (ich glaube fürs erste ausführlich genug) getan. Hier versuche ich mich auf die Fakten zu konzentrieren, damit sich andere Leserinnen und Leser ihr eigenes Urteil bilden können. Um der Kürze willen gebe ich meine Gedanken auch zum Teil nur verkürzt wieder, wenn ich sie in den genannten Beiträgen bereits ausführlicher dargelegt hatte. Es ist also empfehlenswert, alle Beiträge zu lesen!

Gegenargumente

Trotz der nun noch etwas intensiveren Auseinandersetzung mit den Themen, bleibt diese kritische Betrachtung der Gegenargumente eine unvollständige Momentaufnahme. Belastbare (!) Fakten nehme ich also unverändert gerne entgegen.

1.) Die Entscheidung über die Errichtung des Windparks ist nur eine Angelegenheit der Anwohner

Da der Rat der Stadt Wolfenbüttel gerade eine Befragung der Bürgerinnen und Bürger zum Windpark zwischen Ahlum und Dettum beschlossen hat, beginne ich mit diesem politischen Argument.

Begründet wird die genannte Sichtweise damit, dass nur die Anwohnerinnen und Anwohner von den Anlagen unmittelbar betroffen sind. Diese Meinung teile ich nicht. Ich sehe das Problem nicht allein als eine von den Anwohnern zu regelnde Frage an, sondern es ist ein Problem der Gemeinschaft (Gesellschaft) insgesamt. Wo der Strom zurzeit herkommt, hat viele plötzlich so engagierte Akteure zuvor auch nicht interessiert. Sowie eine Straße nur an einer bestimmten Stelle gebaut werden kann, kann auch ein Windpark oder ein Kraftwerk nur an bestimmten Stellen gebaut werden. Als Aufgaben der Gemeinschaft bleiben sie dennoch auch Entscheidungen der Gemeinschaft.

2.) Mit dem Atommüllendlager Asse 2 ist die Region bereits überdurchschnittlich belastet. Deshalb ist ein Windpark eine unzumutbare zusätzliche Last für die Bewohnerinnen und Bewohner der Region um die Asse.

Dieses Argument ist aus meiner Sicht kein Sachargument, sondern eine Frage der subjektiven Wahrnehmung und Empfindung wie auch eine Frage der Bewertung der nachfolgenden Sachargumente.

Im Zusammenhang mit den nachfolgend erörterten Sachargumenten bekommt dies Argument nur dann Gewicht, wenn sich ein Windpark als tatsächlich besonders gesundheitsgefährdend herausstellt. Meine Einschätzung ergibt sich folglich auch aus der Erörterung der nachfolgenden Punkte.

Die subjektive Bewertung oder auch Empfindung bleibt jeder Person individuell überlassen. Sie lässt sich nicht verallgemeinern! Hinter Gemeinschaftsaufgaben muss dann mitunter eine persönliche Bewertung zurückstehen. Wie ich es bereits in meinem Diskussionspapier [3, S. 9] und in meiner Antwort auf den ersten Kommentar meines zugrundeliegenden Artikels [1] dargestellt habe, ist das Thema Asse 2 für mich kein eindeutiges Argument gegen den Windpark, sondern aus meiner Sicht sogar – als ein Zeichen der Hoffnung – ein Argument für diesen Windpark. Aus der tatsächlich menschenverachtenden Atomkraftnutzung kann ich kurzfristig nur mit verträglicheren Alternativen aussteigen. Schon das Beispiel Asse 2 zeigt einen gewichtigen Unterschied: Wenn der Windpark in dreißig Jahren vielleicht nicht mehr benötigt wird, kann er nahezu rückstandsfrei wieder beseitigt und größtenteils sogar recycelt werden. Die Rückstände der Atomkraft bedrohen Menschen und Biosphäre hingegen noch für unzählige Jahrtausende.

3.) Im Verbandsgebiet des ZGB wird aktuell bereits 25% des Stroms aus erneuerbaren Quellen gewonnen. Im Bundesdurchschnitt sind es erst 15%. Warum muss der Großraum Braunschweig anstreben, als erstes Gebiet 100% zu erreichen? (sinngemäß wiedergegeben).

Wer eine solche Frage im Ernst stellt, hat wohl tatsächlich noch nicht begriffen, worum es im Kern geht. Zu dieser Frage ist deshalb eigentlich alles bereits gesagt worden. Als Hinweis gebe ich nur nochmal die Stichworte Ausstieg aus der Atomkraftnutzung, Klimawandel und Ressourcenverbrauch. [vgl. 1; 3]

4.) Bisher gibt es keinen vergleichbaren Industriewindpark in Deutschland mit Anlagen bis 185 Meter Höhe, der geplante Windpark wird ein Testfeld.

Das ist so nicht richtig. In Sachsen-Anhalt zum Beispiel gibt es Windparks mit deutlich mehr Anlagen als den geplanten 15 bis höchstens 40 Anlagen bei Dettum, beispielsweise parallel zur A2 in Richtung Berlin. Die Anlagenhöhe von etwa 185 Metern wird dabei aber in der Regel noch nicht (ganz) erreicht. Lediglich einzelne Windkraftanlagen (WKA) sind bereits mit solchen Höhen errichtet. Dies ist aber der kontinuierlichen Fortentwicklung der WKAs geschuldet. Genau aus diesem Grund wird der geplante Windpark auch kein Testfeld, denn die meisten aktuell in Planung befindlichen Windparks werden mit diesen dann Stand der Technik seienden Anlagen geplant. [4]

5.) Alle für die aktuelle Planung relevanten Gerichtsurteile stammen aus 2004 mit damaligem technischen Stand bzgl. Schattenwurf usw.

Aus zeitlichen Gründen habe ich das nicht recherchiert. Aber bei der Genehmigung von Windparks gilt das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) mit seinen Verordnungen, welches sich immer auf den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik bezieht. Die Abstände müssten also ggf. korrigiert werden. [vgl. Quellen in 3]

6.) Schall und besonders Infraschall stellen eine besondere Belastung für die Anwohner dar.

Es ist unbestritten, dass von Schall eine Gesundheitsgefahr ausgeht. Mittlerweile wird dies auch für den unterhalb der Hörschwelle liegenden Infraschall so gesehen. Für beides sind auch (!) Windkraftanlagen Quellen. Jedoch wurden die Anlagen auch im Hinblick auf den Schall in den vergangenen Jahren deutlich optimiert, so dass die Emissionen deutlich reduziert wurden. Zugleich findet dies in den Vorschriften des BImSchG seinen Niederschlag, welches für die Genehmigung des Windparks bindend ist. [vgl. auch 3, S. 7]

7.) Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fordert deutlich größere Abstände zwischen Wohnbebauung und Windkraftanlagen. Hierfür wird ein Informationspapier des Umweltbundesamtes (UBA) als Quelle genannt.

Richtig ist, dass die WHO nach neuesten Auswertungen wissenschaftlicher Untersuchungen eine Herabsetzung des nächtlichen zulässigen Schallpegels außerhalb von Wohnhäusern von bisher 45 dB(A) auf 40 dB(A) empfiehlt. Daraus lassen sich dann möglicherweise auch andere Abstände zu WKAs ableiten. Dies gilt jedoch nur, sofern die WKAs noch entsprechenden Schall emittieren. Speziell zu Windkraftanlagen oder Infraschall sind in dem UBA-Papier [5] keine Aussagen zu finden. Und auch eine erste Durchsicht eines englischsprachigen Originalpapiers der WHO führte zu keinen expliziten Aussagen zur Windkraft. [6]

8.) Speziell zum Thema Infraschall wird ein Papier der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) angeführt, was die Schädlichkeit von WKAs belegen soll.

Die dem Papier zugrunde liegende Untersuchung befasst sich mit der Störung von Infraschall-Messungen durch WKAs. Infraschall-Messungen erfolgen unter anderem regelmäßig zur Überwachung des Atomwaffenteststoppabkommens. Auswirkungen von WKAs auf Menschen werden in dem Papier lediglich am Rande erwähnt. Dabei wird von den Autoren aber explizit festgestellt: „… Im Infraschall gibt es keinerlei Untersuchungen dieser Art, lediglich Abschätzungen. Werden jedoch die Ergebnisse dieser Arbeit sowie die Kurven aus Abbildung 10 zu Grunde gelegt, ist keine Belästigung von Anwohnern durch Windkraftanlagen im Infraschallbereich bis etwa 20 Hz gegeben, da im Abstand von 1 km ein 5-MW Windrad nur einen Schalldruckpegel von maximal 80 dB erzeugt. Lediglich bei Frequenzen oberhalb von 15 Hz und größeren Windparks wäre in dieser Entfernung eine Wahrnehmung möglich.“ [7, S. 14]

Nun lässt dieser Hinweis zwar die Auswirkungen größerer Windparks offen. Insofern ist dies auch kein Freibrief. In keinem Fall ist es aber ein eindeutiges Argument gegen WKAs, sondern zunächst eher ein Hinweis auf keine bis geringe Auswirkungen.

9.) Ebenfalls zum Thema Infraschall wird weiter eine Veröffentlichung des Robert Koch-Instituts (RKI) im Bundesgesundheitsblatt aus dem Jahr 2007 als Quelle gegen WKAs genannt.

Die in dem Bericht ausgesprochene Empfehlung befasst sich direkt mit den Auswirkungen von Infraschall und tieffrequentem Schall auf die Gesundheit von Menschen. Es wird festgestellt, dass in unserer technisierten Welt alle Menschen ständig Infraschall ausgesetzt sind. Dazu erfolgt der Hinweis, dass diese Formen des Schalls mehr Beachtung verdienen und zumindest auf einen kleinen Prozentsatz der Bevölkerung negative Auswirkungen haben. Ein weiterer Forschungsbedarf wird festgestellt. Als künstliche Quellen für den Infraschall werden zunächst nur Maschinen verschiedenster Art wie LKWs oder Heizungs- und Klimaanlagen oder auch Diskotheken genannt. Die Windkraft wird in diesem Papier als Quelle erst relativ spät (auf der 6ten von 7 Textseiten) und nachgeordnet aufgezählt [8, S. 1587].

Explizit heißt es dann: „… Ein weiteres Beispiel sind die Emissionen von Windkraftanlagen, die teilweise sehr nah an Wohnbereichen aufgestellt sind. Dazu wurden Messungen und Beurteilungen seitens der Bundesländer [39, 40], der Windenergieverbände [41, 42] und Umweltschutzverbande [43] vorgenommen. Sie ergaben einheitlich, dass die festgestellten Infraschallpegel von Windkraftanlagen unterhalb der normalen Wahrnehmungsschwelle liegen.“  [8, S. 1587 (Endnoten im Original)]

Dies wieder einschränkend heißt es dann allerdings weiter:

„Da die individuelle Wahrnehmungsschwelle stark um die nominale Wahrnehmungsschwelle streut, muss auch an die besonders sensitiven Personen gedacht werden. Darüber hinaus muss hinsichtlich der gesundheitlichen Bewertung auch der tieffrequente Hörschall beachtet werden. Hierzu liegen bisher keine ausreichenden Daten vor …“ [8, S. 1587]

Auch diese Quelle stellt bei WKAs zunächst keine Wahrnehmung durch Menschen fest, schließt eine Wirkung von WKAs aber nicht völlig aus. Genannt werden dabei aber sehr geringe Abstände zu den WKAs. Als Quellen für Infraschall werden in weiten Teilen der Diskussion – wie schon erwähnt – zunächst nur viele andere uns umgebene technische Einrichtungen aufgeführt. Unumstößliche Argumente gegen WKAs liefert das RKI-Dokument meines Erachtens also ebenfalls nicht.

10.) Schließlich wird als Argument noch die nach aktueller Rechtslage fehlende Höhenbegrenzung angeführt.

Dieses Argument ist bei genauer Betrachtung vor allem ein ästhetisches Argument. Denn die Höhen sind zunächst nur im Hinblick auf den Schattenwurf interessant. Da greift das BImSchG. Wenn solche Belastungen nicht auftreten, bleibt der Anblick der gewaltigen Anlagen. Dieser wird aber subjektiv und somit unterschiedlich bewertet. Auch mir gefällt die Landschaft an der Asse ohne den Windpark vermutlich besser als mit. Aber vor dem Hintergrund der zugrundeliegenden Probleme erscheint er mir dennoch erträglich und eben notwendig.

Soweit ich das recherchieren konnte, gibt es tatsächlich keine eindeutige Höhenbegrenzung für WKAs. Allerdings kann die zuständige Kommune, sofern sie dies stichhaltig begründen kann, sehr wohl eine Begrenzung der Höhen festlegen. Allerdings darf diese nicht offensichtlich allein der Verhinderung der Errichtung solcher Anlagen dienen. [4]

11.) Bei dem Bauen, Errichten und Betreiben von Windkraftanlagen wird viel Geld verdient. Nur das ist der Grund dafür, diese Anlagen zu errichten.

Zunächst ist dies sicher nicht der einzige Grund. Aber, dieses Argument ist wohl ohnehin das für mein Empfinden merkwürdigste Argument gegen Windkraftanlagen. Denn unsere gesamte derzeitige kapitalistische Wirtschaftsordnung basiert darauf, das Geld verdient wird. Wer es schafft, viel Geld zu verdienen, gilt als besonders erfolgreich – womit, ist zunächst nachrangig. Das also als Argument gegen WKAs anzuführen, ist an dieser Stelle wenig hilfreich. Und auch die (an dieser Stelle gar nicht belegten) Behauptungen, die Windkraftindustrie würde mit ihrer Finanzkraft über z. B. Spenden massiv Einfluss ausüben, kann als Argument allein gegen WKAs nicht gelten. Auch das gehört zu unserem derzeitigen Wirtschaftssystem dazu. Volkswagen zum Beispiel baut ganze Bundesligastadien, finanziert Bundesligavereine und ähnliches mehr. Deshalb lehnen die Windkraftgegner mehrheitlich vermutlich weder Automobile ab noch konkret Volkswagen – obwohl im Straßenverkehr mit Abstand deutlich mehr Menschen (und übrigens auch Vögel) zu Schaden kommen als bei Windkraftanlagen.

Gleichwohl ist dieses Argument – vermutlich ungewollt – ein Hinweis darauf, worin die zugrundeliegende Gesamtproblematik wurzelt. Eine grundsätzliche kritische Auseinandersetzung mit unserem Wirtschaftssystem wäre sicher hilfreich. Dazu folgen am Ende noch ein paar Sätze.

12.) Als letzten Punkt spreche ich nochmal meine Kritik an den Gegnern an, einfach nur dagegen zu sein und zu ignorieren, dass es eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung gibt.

Bei meinen  Recherchen bin ich in den Beiträgen und Dokumenten der Gegner an keiner Stelle auf eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dieser Gegebenheit gestoßen. Da sich die Beiträge und Internetseiten ohnehin stark gleichen, wird entweder gar nicht darauf eingegangen oder es wird sogar geleugnet. Hier vor Ort kommt es wenigstens in persönlichen Beiträgen (in Leserbriefen oder der hier zugrundeliegenden Diskussion) zu Hinweisen auf unsere ökologischen Probleme (vermutlich auch durch das Asse-2-Problem verstärkt). Wie ernst die Hinweise in der Praxis zu nehmen sind, kann ich allerdings bisher nicht erkennen. In der Regel wird einfach nur gegen WKAs gekämpft, sonst nichts. [2; 3] Dass es mir dann schwer fällt, den häufig aufgebauschten und selten eindeutig belegten Argumenten (die teilweise schon fast wie Verschwörungstheorien klingen) zu folgen, verstehen kritische Leserinnen und Leser hoffentlich.

Als positive Schritte sehe ich aber die Tatsachen an, dass hier überhaupt diskutiert wurde und dass die BI WindparkADe das Gedächtnisprotokoll [9] der kürzlich stattgefundenen Fahrt zu einem Windpark veröffentlicht hat. In dem Protokoll wurde für mein Empfinden relativ neutral über die Wahrnehmungen und Vorträge berichtet. Vielleicht schaffen es die Mitglieder der Initiative ja doch, ihre kompromisslose Position zu verlassen und an einer konstruktiven Diskussion teilzunehmen. Je früher dies geschieht, desto mehr Einfluss können sie vielleicht noch ausüben.

Soweit meine (zum Teil wiederholte [1; 3]) kritische Betrachtung der von den Windpark-Gegnern genannten Argumente. Soweit ich das überblicke (es ist doch mittlerweile einiges an Text zusammengekommen), habe ich die wesentlichen Punkte genannt und erörtert. Dies hilft hoffentlich interessierten Leserinnen und Lesern, sich ein eigenes Bild zu machen und meine Kritik nachzuvollziehen.

Schlusswort

Einen aus meiner Sicht sehr wichtigen Hinweis möchte ich nach all dem geschriebenen quasi als Schlusswort nochmal geben. Die Planung und Errichtung solcher Windparks geschieht wie selbige von anderen Kraftwerken oder Industrieanlagen als Ergebnis unserer Art zu leben und zu wirtschaften. Wir folgen nahezu „blind“ einer unter anderem auf unbändigen Energie- und Ressourcenverbrauch wie auch grenzenlosem Wachstum basierenden Denkweise. Wer also unbestritten vorhandene Probleme in den darauf basierenden Handlungen wie z. B. der Errichtung von Windparks erkennt, ist gut beraten, sich auch grundsätzliche Gedanken zu all dem zu machen. Denn es erfordert nur wenig Verstandestätigkeit, die Unmöglichkeit einer unendlichen Fortsetzung einer solchen Lebensweise zu erkennen. Wer sich dann den nachfolgenden Generationen gegenüber verantwortlich fühlt (das beginnt schon bei den eigenen Kindern!), sollte damit beginnen, sich an der Suche nach menschlich vertretbaren Auswegen zu beteiligen.

Wolfenbüttel, 21.03.2012

—–

[1] Elsner, Rainer: „Ein Windpark sorgt für aufgeheizte Diskussionen“, Ostfalen-Spiegel, 21.02.2012 (https://www.ostfalen-spiegel.de/2012/denkanstose-zu-einem-windpark/).

[2] Bürgerinitiative WindparkADe, Internetseite der BI http://www.isensee-online.de/windpark/ abgerufen zuletzt am 21.03.2012.

[3] Elsner, Rainer: Windenergiepark zwischen Wolfenbüttel–Ahlum und Dettum?: Fachbericht und Stellungnahme an die Fraktion der Piratenpartei zur möglichen politischen Lösung des Konflikts. V.1.2. Wolfenbüttel: 2012 (http://www.piratenpartei-wolfenbuettel.de/wp-content/uploads/WindenergieparkAhlumDettumV1_2.pdf).

[4] Eigene Recherchen, Gespräche u. a. mit einem Vertreter der SAB Windteam GmbH.

[5] Umweltbundesamt (UBA): Night Noise Guidelines als offizielles WHO-Dokument veröffentlicht. Informationsblatt / PDF-Datei. Dessau-Roßlau, Berlin: UBA, 2009. Online abgerufen März 2009 (http://www.umweltbundesamt.de/gesundheit/telegramm/Ausgabe06-2009-.pdf).

[6] Weltgesundheitsorganisation (WHO): Leitlinien für die Europäische Region gegen Nachtlärm. Englisch Night Noise Guidelines for Europe. Buch / PDF-Datei. Kopenhagen: WHO, 2009, Online abgerufen im Februar 2009 (http://www.euro.who.int/de/what-we-do/health-topics/environment-and-health/noise/publications/2009/night-noise-guidelines-for-europe).

[7] Ceranna, Lars; Gernot Hartmann u. Manfred Henger: Der unhörbare Lärm von Windkraftanlagen – Infraschallmessungen an einem Windrad nördlich von Hannover. Hannover: BGR, o. J., Untersuchungspaier / PDF-Datei, online abgerufen im März 2012 (http://www.bgr.bund.de/DE/Themen/Erdbeben-Gefaehrdungsanalysen/Seismologie/Downloads/infraschall_WKA.pdf?__blob=publicationFile&v=2).

[8] Robert-Koch-Institut (RKI): „Infraschall und tieffrequenter Schall – ein Thema für den umweltbezogenen Gesundheitsschutz in Deutschland? Mitteilung der Kommission „Methoden und Qualitätssicherung in der Umweltmedizin“ – Empfehlungen des Robert Koch-Instituts.“ Bundesgesundheitsblatt (2007), S. 1582-1589, Online publiziert: 30. November 2007, http://edoc.rki.de/documents/rki_ab/re67flHRghoUo/PDF/22wFEQ7q9U2VE.pdf, abgerufen am 10.02.2012.

[9] Mittwollen, Wolfgang: Informationsfahrt nach Dardesheim zur Windparkanlage Druiberg auf Einladung von Frau Dörthe Weddige-Degenhard MdL am 09. März 2012: BERICHT UND GEDÄCHTNISPROTOKOLL. Protokoll / PDF-Datei. Apelnstedt: 2012 http://www.windpark-ade.de/downloads/Fahrt-nach-Dardesheim-2012-03-09.pdf), online abgerufen am 17.03.2012.

Februar 21

Denkanstöße zu einem Windpark

Ein Windpark sorgt für aufgeheizte Diskussionen

Denkanstöße und ein Aufruf zur gemeinsamen Suche nach tragfähigen Lösungen

Ein Kommentar – im Ostfalen-Spiegel

Von Rainer Elsner

Seit im Winter bekanntgegeben wurde, dass der Zweckverband Großraum Braunschweig (ZGB) an einer Ausweisung von Windkraft-Potentialflächen arbeitet, erhitzen sich mancherorts die Gemüter. Einer der ins Auge gefassten Standorte liegt zwischen dem Wolfenbütteler Ortsteil Ahlum und der Gemeinde Dettum (Samtgemeinde Sickte) im Landkreis Wolfenbüttel. Vor allem in der Gemeinde Dettum aber auch anderswo hat sich Aufregung ob des möglichen Windparks vor der Haustür breit gemacht. Vehement wird gegen den Windpark auf Veranstaltungen, auf einer Internetseite und in Leserbriefen gewettert, wodurch die Berichterstattung nach meinem Eindruck auch von den Gegnern dominiert wird. Die durchaus weitgreifende Bedeutung des Themas hat mich deshalb zu ein paar Hinweisen, Denkanstößen und einem Appell zur vernünftigen Lösungssuche veranlasst.

„Vernunft ist Bewegung ohne gesicherten Bestand. Sie drängt zur Kritik jeder gewonnenen Position, steht daher im Gegensatz zu der Neigung, sich durch endgültige feste Gedanken vom weiteren Denken zu befreien.“

Karl Jaspers[1]

Wir haben mehr als ein Problem!

Wir haben mehr als ein Problem! Windparks sind gegebenenfalls nur eines davon – und zugleich Teil der Lösung. Die anderen, in letzter Konsequenz kollektiv existenziellen (!), Probleme sind nicht erst seit Durban oder Fukushima bekannt! Die Menschheit marschiert allem Anschein nach sehendem Auges auf einen Abgrund zu. Seit Jahrzehnten versuchen kritische Stimmen, die Gesellschaft insgesamt wie die Verantwortungsträger in Politik und Wirtschaft im Besonderen darauf aufmerksam zu machen. Nur ein paar Beispiele:

In den frühen 1970er Jahren haben MIT-Wissenschaftler den 1. Bericht an den Club of Rome[2] abgeliefert; seitdem sind die Tendenzen im Bereich des Rohstoffverbrauchs und der Klimaentwicklung bekannt. Seit Ende der 1980er Jahre brachte das UN-Wissenschaftsgremium IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) mehrfach umfassende Berichte zur drohenden Klimaerwärmung heraus.[3] Seit den späten 1970er Jahren (Harrisburg) sind auch die Gefahren der Atomkraft vorstellbar, seit 1986 (Tschernobyl) schreckliche Realität. Ebenfalls seit den späten 1970er Jahren ist die Gefahr im (ohne atomrechtliche Genehmigung betriebenen) Atommüllendlager Asse 2 bekannt[4]. Dennoch haben in all diesen Fragen jahrzehntelang (!) nur wenige konsequent gehandelt und versucht gegenzusteuern!

Verantwortung

Wir alle, also zunächst wir als Gesellschaft und dann – quasi runtergebrochen – wir als jeweils einzelner Mensch sind hier angesprochen. Denn wir tragen alle gemeinsam und dann eben jeder für sich die Verantwortung dafür, was wir tun (ob nun als einzelne persönliche Handlung oder als kollektive Handlung von Gruppen, denen wir angehören). Dafür müssen wir (letztlich als einzelne Person) uns bewusst machen, ob wir die Folgen dieser Handlungen verantworten können und wollen!

Dazu gehört dann zum Beispiel auch die Frage, ob es mir tatsächlich egal ist, was mit den Menschen im Uranbergbau geschieht oder in Bangladesch, wenn der Meeresspiegel steigt (die Liste solcher „Beispiele“ ist sehr lang!). Am Ende gehört dann selbstverständlich auch der Mensch dazu, der unter einem Windpark leidet. Um das alles gegeneinander abwägen zu können, muss ich ergründen, wie die einzelne Last tatsächlich aussieht. Gefahren für die Gesundheit von Menschen muss dann selbstverständlich immer entgegengewirkt werden! Ästhetische Empfindlichkeiten wie die Veränderung des Landschaftsbildes durch hohe Masten und große Rotoren müssen wir partiell vermutlich einige Zeit hinnehmen. Für mich ist das im Zweifel erträglicher als der Abriss ganzer Dörfer (Braunkohletagebau) oder eben strahlenverseuchte Arbeiter und Anwohner (Beispiel Wismut im Erzgebirge, wir brauchen da gar nicht in die Ferne schweifen, um die tragischen Folgen zu sehen).

Für all diese Folgen sind wir als Gesellschaft verantwortlich, die seit geraumer Zeit über ihre Verhältnisse lebt – derzeit, als hätten wir 1,5 Erden für unseren Ressourcenbedarf verfügbar[5] – und als einzelner Mensch, der dem zugehörigen Lebensstil folgt und jeden Meter vom hübschen Einfamilienhaus zum Bäcker mit dem SUV fährt.

Ausgleich der Lasten

Und weiter, gesamtgesellschaftliche Probleme lassen sich nicht immer „gerecht“ lösen! Dann muss aber ein Ausgleich der Lasten stattfinden, müssen besonders belastete Menschen in der Tat entschädigt werden. Das alles ist übrigens grundlegend in Artikel 14 Grundgesetz geregelt (Eigentum verpflichtet). Auch wenn das nicht alle einsehen, wer mehr hat, muss (in zumutbarem Rahmen) auch mehr geben, auch im Kleinen. Als Beispiel: Wenn ich in einer Mietwohnung lebe(n muss), kann ich nur bedingt Ansprüche stellen. Häufig muss ich damit leben, das Hauptverkehrsstraßen laut sind, LKWs vorbeidonnern, das Haus hellhörig ist und ich jedes Husten des Nachbarn höre, ich vom Balkon auf das Nachbarhaus schaue usw. Zwar wird auch hier zum Teil technisch entgegengewirkt, aber irgendetwas ist immer. Solche Probleme habe ich im (dörflichen) Eigenheim in der Regel weniger. Tatsächliche Lärmbelastungen durch Windkraftanlagen muss ich dann sicher dennoch nicht hinnehmen, den Anblick einiger Windräder auf dem Acker schon – meine ich.

Deutschland ist ein dicht besiedeltes Land. Unsichtbar lassen sich die Anlagen also nicht errichten. Niemand will jedem ein Windrad in den Garten stellen. Aber wir alle müssen unseren Beitrag leisten für eine bewohnbare und lebenswertere Welt auch noch in der Zukunft. Und das geht nicht ohne – vertretbare – Beeinträchtigungen Einzelner. Die Gesellschaft insgesamt trägt dann gegebenenfalls die Verantwortung, diese Beeinträchtigungen erträglich zu gestalten.

jede technische Anlage hat Auswirkungen auf Mensch und Natur

Es geht – zumindest mir – jetzt aber nicht darum, die Betroffenen nicht ernst zu nehmen oder gar jeden Windpark um jeden Preis errichten zu lassen. Nur, jede technische Anlage hat Auswirkungen auf Mensch und Natur. Da wir in einer industrialisierten Wohlstandgesellschaft (!) leben, müssen wir versuchen, für jeden Einzelfall den denkbar besten Kompromiss zu finden. Das kann sicher auch das Unterbleiben einer Errichtung sein. Das einfache Rezept Offshore ja, Onshore nein funktioniert aber leider nicht.[6] Schon die hierfür notwendigen Stromtrassen bringen gleichfalls Belastungen für Menschen mit und stoßen deshalb ebenfalls auf Widerstand. – Und die kompromisslose Einnahme einer prinzipiellen Gegenhaltung hilft bei der Problemlösung gar nicht – zumal, wenn die eigentlich ursächliche Problematik ansonsten ignoriert wird.

Es geht, wie so oft, um die Fragen: Wie wollen wir leben? Welchen Preis sind wir bereit, dafür zu bezahlen? Und welchen Preis sind wir bereit andere – nicht zuletzt in anderen Ländern und auch in der Zukunft – dafür bezahlen zu lassen? Nach meiner Auffassung kommen wir um einen Umbau unserer Gesellschaft nicht herum. Konsum und Energieverbrauch um jeden Preis wird so oder so nicht mehr lange funktionieren. Aber auch für die Übergangszeit brauchen wir vertretbare Lösungen.

Sankt Florian

Bei den Gegnerinnen und Gegnern von Windparks finde ich aber leider kaum einen Hinweis auf die beschriebenen Probleme. Kaum jemand anerkennt die beschriebene Verantwortung von uns allen. Im Gegenteil, die drohende Klimaerwärmung wird teils sogar bestritten[7]. Die genannten Probleme finden sich allenfalls in Floskeln wieder. Immer wieder wird die ablehnende Haltung kollektiv kundgetan und anderen versucht „Sankt Florian“ zu unterstellen, um von der eigenen entsprechenden Haltung abzulenken. Doch, wer am lautesten „schreit“ und mit großen Gruppen die Säle dominiert, hat noch lange nicht Recht und repräsentiert damit auch nicht automatisch die Mehrheit. – Wobei echte Demokratie sich aber nicht in – im Zweifel rücksichtslosen – Mehrheitsentscheidungen offenbart, sondern eben im tragfähigen Kompromiss!

Es tut mir leid, aber es entsteht hier wirklich der Eindruck, dass von manchen Akteuren intensiv nach Argumenten gegen einen Windpark gesucht wird – gesucht, weil nicht wenige dieser Akteure (zugespitzt formuliert) eigentlich nur die Ästhetik stört. Hier muss sich jeder dann aber die Frage gefallen lassen, ob er oder sie denn lieber auf das Kohlekraftwerk Buschhaus sehen will oder auf das AKW Grohnde (gut 80 km von hier!)? Wo jeweils auf jeden Fall auch nicht nur die Ästhetik stört – vom Braunkohletagebau, Uranminen oder den Folgen der Klimaveränderung eben ganz zu schweigen.[8]

Aber, keine Frage, Ängste und Sorgen müssen ernst genommen werden!

Aber, keine Frage, die Ängste und Sorgen der potentiellen Anwohner müssen ernst genommen werden. Vernünftig kann das Thema nur diskutiert werden, wenn wirklich alle Interessen Berücksichtigung finden, alle Bedenken geprüft werden, alle Betroffenen Gehör finden. Dann müssen wir aber auch eine sachliche Diskussion unter Einbeziehung unserer gesellschaftlichen Verantwortung führen.

Da darf auch die Ästhetik als Grund genannt werden. Auch wenn es nach meiner Auffassung in diesem Fall nur ein nachgeordnetes Argument sein sollte. Die Bedenken zu gesundheitlichen Auswirkungen müssen auf jeden Fall ernst genommen werden. Denn sollte der geplante Windpark tatsächlich eine eindeutig erhöhte Belastung für die Gesundheit offenbaren, kann er so nicht gebaut werden. Ob und wie er gebaut werden kann, muss deshalb in einer von allen Beteiligten ergebnisoffenen, sachlich und vernünftig geführten Diskussion erarbeitet werden. [8]

eine gemeinsame sachliche und fachliche Arbeit mit am Ende tragfähigen Lösungsvorschlägen

Also liebe Menschen! Ich denke, wir haben keine Zeit mehr (zu verlieren). Es geht um die Welt unserer Kinder und Kindeskinder – nicht allein um unsere Befindlichkeiten! Das im Blick zu halten bei seiner Entscheidungsfindung ist vernünftig. Die Informationsarbeit des Zweckverbandes ist meines Erachtens schon sehr vorbildlich. Der Schritt, den Bürgermeister Pink für Wolfenbüttel gehen will, weist ebenfalls in die richtige Richtung. Ich meine aber, dass es möglicherweise nicht ausreicht, die Bürgerinnen und Bürger zu befragen. Es erscheint mir sinnvoll, die Bürger zuvor direkter an den Planungen zum Windpark zu beteiligen. Hierfür gibt es erfolgreich erprobte Methoden repräsentativer Art, in welchen eine gemeinsame sachliche und fachliche Arbeit in der Regel zu am Ende tragfähigen Lösungsvorschlägen führt – die dann auch Thema einer Bürgerbefragung sein können. In jedem Fall erscheint es mir sinnvoll, solche Methoden auszuprobieren, denn in ihnen steckt meines Erachtens noch weit mehr Potential.

Also, es gibt viel Arbeit, aber möglicherweise auch reichlich ungenutztes Lösungspotential. Worauf warten wir noch?

Wolfenbüttel, 21.02.2012

—–

Quelle:

[1] Jaspers, Karl: Vernunft und Widervernunft in unserer Zeit: Drei Vorlesungen. Neuausg. 3. Aufl. München: Piper, 1990 [(1) 1950], S. 33.

[2] Meadows, Dennis L. [u.a.]: Die Grenzen des Wachstums: Bericht an den Club of Rome zur Lage der Menschheit. A. d. Amerik. V. Hans-Dieter Heck. Stuttgart: DVA, 1972 (amerik. Orig.: The Limits to Growth. New York: Universe Books, 1972).

[3] Vgl. z. B. auch: Leggett, Jeremy (Hrsg.): Global Warming: Die Wärmekatastrophe und wie wir sie verhindern können: Der Greenpeace Report. München, Zürich: Piper, 1990

[4] Jürgens, Hans-Helge: Atommülldeponie Salzbergwerk ASSE II: Gefährdung der Biosphäre durch mangelnde Standsicherheit und das Ersaufen des Grubengebäudes. Braunschweig: Braunschweiger Arbeitskreis gegen Atomenergie, 1979.

[5] Veltzke, Britta: „Global Overshoot Day: Schulden bei Mutter Erde“ taz.de vom 29.09.2011 (http://www.taz.de/!78867/) online abgerufen am 17.02.2012.

[6] Vgl. Bund für Umwelt und Naturschutz e.V. (BUND) (Hrsg.): Für einen natur- und umweltverträglichen Ausbau der Windenergie. Positionen: 56. Broschüre/PDF-Datei. Berlin: BUND, 2011 (speziell zu Offshore S. 12 f.; http://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/energie/4.pdf, abgerufen am 02.02.2012.

[7] Vgl. z. B. Gegenwind Schleswig-Holstein e. V.: „Informationen zur Klimahysterie 2010“ http://www.gegenwind-sh.de/index.php?article_id=54 online abgerufen am 17.02.2012;

und auch Herrn Zielinski im Interview: Feddern, Jörg; Zielinski,Hans-Joachim; Keiffenhaim, Marcel: „Streitgespräch Offshore“ greenpeace magazin Nr. 3 (2005), online, http://www.greenpeace-magazin.de/index.php?id=2992&no_cache=1&sword_list[]=windenergie online abgerufen am 10.02.2012.

[8] Ich bin Bürgermitglied im Ausschuss für Bau, Stadtentwicklung und Umwelt des Rates der Stadt Wolfenbüttel. Benannt wurde ich von der Fraktion der Piratenpartei, mit der ich deshalb auch beratend zusammenarbeite. Ich selbst bin aber parteilos. Dieser Kommentar ist also meine persönliche Meinungsäußerung.
Gleichwohl habe ich für die Diskussion in und mit der Fraktion ein erstes Diskussionspapier erarbeitet, in dem ich begonnen habe, die Argumente zusammenzutragen und zu diskutieren. Das Dokument
Windenergiepark zwischen Wolfenbüttel–Ahlum und Dettum?: Fachbericht und Stellungnahme an die Fraktion der Piratenpartei zur möglichen politischen Lösung des Konflikts;
kann derzeit in seiner ersten Fassung von der Internetseite der Stadtratsfraktion der Piratenpartei in Wolfenbüttel als PDF-Datei kopiert werden. Die überarbeitete Fassung folgt in Kürze, kann aber hier (WindenergieparkAhlumDettumV1_2.pdf) bereits eingesehen werden.

August 5

VI. Wer das Geld hat – hat auch Verantwortung

Wer das Geld hat – hat auch Verantwortung

 Oder

 Kapital bedeutet Macht und fordert Verantwortung

 Gedanken zum Zeitgeist VI – im Ostfalen-Spiegel

 Von Rainer Elsner

Ein Beispiel für den realen Umgang mit Kapital, Macht und Verantwortung zeigt der Atomausstieg. Kaum ist dieser Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie erneut beschlossen, da fangen die großen Energieversorger E.ON und RWE auch schon wieder an, zu stänkern und Schadenersatz zu fordern[1]. Statt sich ihrer Verantwortung allen Menschen gegenüber bewusst zu werden und entsprechend zu handeln, ziehen sie sich hinter betriebswirtschaftliche Argumente zurück – von Politikerinnen sekundiert, von Aktionären bejubelt. Das ganze geschieht zudem vor dem Hintergrund, dass diese Konzerne jahrzehntelang staatliche Vorteile genossen haben und dann ja bereits mit der rot-grünen Bundesregierung einen Atomausstieg vereinbart hatten! Anhand dieses Beispiels sollen hier Denken und Handeln in Wirtschaft und Politik kritisch betrachtet werden.

„…der Zwang zur Gewinnmaximierung zerstört jede Solidarität und läßt ein Verantwortungsbewußtsein gar nicht erst aufkommen.“[2]

Marion Gräfin Dönhoff

Das hier im Fokus diskutierte Auftreten der vier großen Energieversorgungsunternehmen (EVUs), insbesondere von den Konzernen E.ON und RWE, ist nur beispielgebend. Andere Beispiele für Handlungen in der Wirtschaft sind Waffenlieferungen an Menschenrechte mißachtende Diktatoren, Geschäfte mit totalitären Systemen und ähnliches mehr. Angesichts dessen stellen sich dem empfindsamen und kritischen Geist ein paar Fragen: Erkennen die durch berufliche Position oder Vermögen, häufig auch durch beides zugleich, in herausgehobener Verantwortung stehenden Menschen, die Konzernvorstände wie zum Beispiel E.ON-Vorstand Dr. Johannes Teyssen, RWE-Vorstand Dr. Jürgen Großmann oder Dr. Josef Ackermann (Deutsche Bank AG) und „die Reichen“ wie zum Beispiel Susanne Klatten, Stefan Quandt[3] oder Karl Albrecht, um nur ein paar Namen zu nennen, eigentlich die Werte an, die sich in den universellen Menschenrechten spiegeln und die sich hier in Deutschland außerdem durch die Grundrechte auch in der bundesdeutschen Verfassung wiederfinden? Ist diesen Menschen eigentlich bewusst, dass die Mutter, die um ihr krebstotes Kind trauert, der arbeitslose 55jährige ohne Perspektiven, der ausgebeutete chinesische Wanderarbeiter oder die vom antropogen verursachten Meersspiegelanstieg bedrohten Menschen in Bangladesch bis aufs Haar Mensch sind wie sie selbst? Oder fehlt es diesen scheinbar ja besondere Verantwortung tragenden Menschen tatsächlich an jedweder Einfühlsamkeit – und dann auch den in ihrem Kielwasser mitfahrenden Opportunisten?

Grundrechte nur Floskeln, die auf dem Weg zur Macht wie das Glaubensbekenntnis in der Kirche eben runter gebetet werden müssen

Und wie sieht es mit den politisch Verantwortlichen aus? In Deutschland vorne weg Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und Bundeswirtschaftsminister Dr. Phillip Rösler, aber auch manch führendes Mitglied anderer Parteien – die alle häufig ja sogar einen Eid auf diese Werte geschworen haben! Haben diese Politikerinnen und Politiker eigentlich jemals über den Sinn, den Geist unserer Verfassung reflektiert? Erkennen sie diesen Sinn an oder sind die Grundrechte alles nur Floskeln, die auf dem Weg zur Macht wie das Glaubensbekenntnis in der Kirche eben runter gebetet werden müssen?

Oder fehlt es auch hier den besonders verantwortlichen Menschen gleichfalls an jedweder Einfühlsamkeit – und dann auch wieder den in ihrem Kielwasser mitfahrenden Opportunistinnen?

Und wir?

Und wir? Wir, die wir diesen Menschen in ihrem egoistischen Machtstreben zuarbeiten oder dieses Machtstreben häufig zumindest gleichgültig hinnehmen und häufig an den damit verbundenen (kurzfristigen) Vorteilen teilhaben – und die wir diese Machtmenschen nicht selten auch noch für ihren Egoismus bewundern. Erkennen wir diese Werte wirklich an? Werden wir uns eigentlich bewusst, welche Folgen all unsere Handlungen haben? Die Handlungen als Angestellte oder Unternehmer, als Wählerin oder Aktionär (wer profitiert denn kurzfristig? und wer entlastet denn den Vorstand?), als ebenfalls den besagten Eid schwörende Soldaten und Beamtinnen und nicht zuletzt als Konsumenten (wer kauft denn billigen Kaffee, billige Schokolade oder beim Billig-Discounter?)?

Oder fehlt es auch bei uns oft an der notwendigen Einfühlsamkeit, um verantwortungsbewusst handeln zu können?

Angesichts der Widersprüchlichkeit von Reden und Handeln zum Beispiel bei der Kürzung der Förderung von Erneuerbaren Energien (die schwarz-gelbe Regierung reklamiert doch tatsächlich öffentlich die Förderung der erneuerbaren Energien für sich, obwohl sie das Gegenteil tut!) oder von Rüstungsexporten nach Saudi Arabien (wie soll eine nach Freiheit strebende Araberin unserer Politik vertrauen, wenn ihre Freunde im nächsten Moment von deutschen Panzern überrollt werden?) drängen sich dann irgendwann weitere Fragen auf: Ist die Erklärung am Ende ganz einfach? Verderben Geld und Macht möglicherweise tatsächlich den Charakter? Oder ist Charakter ohnehin, wie Kant es bereits erklärt hatte, eine wohl eher seltene Eigenschaft, die sich ein Mensch, so er es denn irgendwann geschafft hat, nur in langem Bemühen selbst angeeignet haben kann[4] – durch Erziehung unterstützt oder behindert?

… dass alles Handeln sich eigentlich mindestens der Prüfung unterziehen sollte: schadet es einem Menschen oder nicht?

Die Antworten auf all die Fragen sind wohl nicht einfach zu finden und sie sind vor allem unbequem. Danach zu suchen lohnt sich dennoch! Denn die zugrunde liegenden menschlichen Werte begründen ein menschliches Zusammenleben und sie gründen vereinfacht ausgedrückt in einer zentralen Forderung: alles Handeln sollte den Menschen dienen, mindestens ihm aber nicht schaden. Und Menschen sind alle Wesen, die der biologischen Spezies Homo Sapiens angehören. Dies gilt für alle heute lebenden, aber auch für alle in der Zukunft lebenden Menschen. Diese Tatsache bringt es mit sich, dass alles Handeln sich eigentlich mindestens der Prüfung unterziehen sollte: schadet es einem Menschen oder nicht? Je stärker der Einfluss einer Handlung auf andere Menschen ist oder sein könnte, desto stärker sollte dies dann bei der tatsächlichen Umsetzung der Handlung auch Berücksichtigung finden. In letzter Konsequenz müssen dann auch getroffene Entscheidungen rückgängig gemacht werden, die sich als wirklich schädlich für Menschen herausstellen.

Verfassung ein Regelwerk für die Welt vor den Werkstoren und außerhalb der Wirtschaft

Um den Fokus jetzt wieder auf die Menschen an den eigentlichen Schalthebeln der Macht zu richten, folgt der erneute Blick auf den beispielgebenden aktuellen Atomausstieg: Vor den zuvor beschriebenen Verpflichtungen ist es menschlich gesehen nicht nachvollziehbar, dass Konzerne ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen über das Interesse aller Menschen zusammen (Gesellschaft, Staat, Menschheit) stellen. Und es mutet dann schon als eine Frechheit an, wenn es dabei auch noch um Leben und Gesundheit unzähliger Menschen geht. Interessant ist dann weiter, dass diese Konzerne, die großen deutschen Energieversorger, über Jahrzehnte diverse Vorteile und Zuwendungen der Gemeinschaft (Forschungsförderung für die AKWs, Entsorgungsrückstellungen (bis 2009 etwa 28 Mrd. Euro), Steuervorteile, …) angenommen haben und nicht zuletzt auf dieser Basis überhaupt nur die heutige Größe erreichen konnten. „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“ sagt Artikel 14 Absatz 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Diese mit dem Grundrecht auf Eigentum verknüpfte Verpflichtung erscheint eigentlich leicht verständlich. Eine mögliche Erklärung für das unternehmerische Zuwiderhandeln findet sich dann aber in der in vielen Unternehmen allem Anschein nach vorherrschenden Denkungsart (wohlwollend soll dabei unterstellt werden, dass viele Menschen dieses Denken bis heute nicht reflektiert haben). Nach dieser Denkungsart ist die Verfassung ein Regelwerk für die Welt vor den Werkstoren und außerhalb der Wirtschaft. Die Wirtschaft und jeder Betrieb haben ihre eigenen Gesetze. Die Regeln des demokratischen Gemeinwesens werden – der Eindruck entsteht zumindest – von den in solchen Betrieben verantwortlichen Menschen nur mit Vorbehalt akzeptiert und allenfalls dort begrüßt, wo sie dem eigenen Vorteil dienen. – Dann die Interessen von 500.000 Kleinanlegern vorzuschieben ist nicht mehr als der Versuch, sich aus der Verantwortung zu stehlen und die Wahrheit zu verdecken. Das große Geld verdienen nicht die Kleinaktionäre!

Wenn es zu meinem Vorteil ist, ist mein Wort von gestern so viel wert wie der Schnee von gestern

In dieser als Beispiel dienenden Geschichte (die Themen lassen sich austauschen: Ernährung, Gesundheit, Rüstung, Gentechnik, Trinkwasser, …) darf auch nicht aus den Augen verloren werden, dass diese Energie-Konzerne eigentlich den Atomausstieg bereits fest versprochen hatten. Im Jahr 2000 haben diese Konzerne mit der damaligen rot-grünen Bundesregierung den Ausstieg aus der Atomkraft-Nutzung vereinbart (der Atomkonsens)[5]. Aber was interessiert mich, was ich gestern gesagt habe? Wenn es mir vorteilhaft erscheint, ist mein Wort von gestern so viel wert wie der Schnee von gestern. Auch das scheint Teil der Denkungsart zu sein, der verantwortliche Menschen in diesen (wie in anderen) Konzernen folgen – freundlich lächelnd aber, wie es scheint, treulos, borniert und unreflektiert. Kaum war die Verantwortungslosigkeit wieder auf die Regierungsbank gezogen, da wurde dieser „Konsens“ widerrufen – allein zu Gunsten der besagten Konzerne!

Wahrhaftigkeit ist für das Zusammenleben von Menschen fundamental. Denn nur im Vertrauen auf die Aussagen anderer Menschen ist ein gemeinsames verantwortliches Handeln möglich. Doch, wie es sich in der Guttenberg-Affäre gespiegelt hat, scheint dies nicht der Denkungsart einer einflussreichen Gruppe in unserer Gesellschaft zu entsprechen. Dass der Aufdeckung des Guttenberg-Plagiats weitere Plagiats-Aufdeckungen in den Reihen von CDU/CSU und FDP gefolgt sind, könnte zu denken geben.

Mit Blick auf Art. 14 des Grundgesetzes und die großen staatlichen Zuwendungen der vergangenen Jahrzehnte, nun noch eine Entschädigung zu fordern, mutet als geradezu unverschämt an oder ist Ausdruck eines totalen Realitätsverlusts[6]. – 1978 hatte das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden, ob die Genehmigung von kerntechnischen Anlagen gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 GG) verstößt. Damals stuften die Verfassungsrichter das Risiko der Atomkraftnutzung als rein hypothetisch ein (warum auch immer[7]). Diese unbekannten Restrisiken sind „als sozialadäquate Lasten von allen Bürgern zu tragen“. Doch bereits in seiner Begründung zum sogenannten Kalkar-Urteil räumt das Verfassungsgericht ein, dass künftige Erfahrungen ein nicht mehr akzeptables Risiko der Atomkraftnutzung realistisch erscheinen lassen können. Was dann zur Folge haben müsste, dass der Gesetzgeber die Atomkraftnutzung auf Grund von Artikel 2 Grundgesetz verbietet.[8] – Die Nutzung der Kernenergie findet spätestens seit 1978 also auf eigene Verantwortung statt. Niemand zwingt die EVUs zum Betrieb der AKWs (und darf sie auch nicht dazu zwingen). Allerspätestens nach Fukushima haben wir eine Realität, die die Gefahren auch bundesdeutscher Reaktoren aus dem Bereich des „Restrisikos“ herausheben – und somit deren weiteren Betrieb nicht mehr verantworten lassen![9]

dem Volk durch Privatisierungen zugunsten weniger Besitzender sein Eigentum nehmen

Andere Beispiele für diese Einflussnahme vom Kapital auf die Politik finden sich zu Hauf, so zum Beispiel das Projekt Stuttgart 21. Der (noch) im Staatsbesitz (also im Gemeineigentum!) befindliche Betrieb Deutsche Bahn AG, unter Leitung von Dr. Rüdiger Grube, versucht aus rein betriebswirtschaftlichen Beweggründen ein sozial wie ökologisch zweifelhaftes Projekt gegen die Interessen zahlreicher Bürgerinnen und Bürger (also seiner Eigentümer!) kompromisslos (wie es sich gerade wieder zeigt) durchzusetzen. Sekundiert wird er dabei von Politikern und Politikerinnen, die seit Jahrzehnten dabei sind, dem Volk durch Privatisierungen zugunsten weniger Besitzender sein Eigentum zu nehmen.[10] Wenn dann jemand irgendwann an Raubritter denkt, ist das durchaus nachvollziehbar. Dieses Handeln findet sich an vielen Stellen wieder. Bei dem Umgang mit den Finanzproblemen Griechenlands wird dies sichtbar wie im deutschen Gesundheitssystem. Was ist das beispielsweise für eine Solidargemeinschaft, aus der sich die Menschen fortstehlen dürfen (private Krankenversicherung), die am leichtesten ihre Beiträge leisten könnten?

Verantwortung, die jeder Mensch für sein Handeln trägt und die jeder Mensch als Teil der Menschheit für das Handeln anderer Menschen trägt

Was sollte uns all das nun zu denken geben? Einmal mehr sind wir alle an unsere Verantwortung erinnert – Frau Klatten ebenso wie Herr Ackermann, die Polizistin ebenso wie der Bäcker von nebenan oder Vorstand und Bandarbeiter bei VW. Erinnert an die Verantwortung, die jeder Mensch für sein Handeln trägt – ob er das einsieht oder nicht! Und auch an die Verantwortung, die jeder Mensch als Teil der Menschheit für das Handeln anderer Menschen trägt! Hier in Deutschland haben Menschen die Erfahrung mit der unvermeidlichen Verantwortung stellvertretend für alle Menschen auf das Schrecklichste gemacht. – Welche Konsequenzen die Einsicht in die persönliche Verantwortung für das persönliche Handeln bedeuten, kann jeder Mensch nur für sich selbst entscheiden. Ausweichen kann dieser Entscheidung aber kein Mensch, denn auch keine Entscheidung ist faktisch eine Entscheidung.

„Menschlich müssen wir weitgehend Verantwortung auch für das übernehmen, was Menschen ohne unser Wissen und Zutun irgendwo in der Welt verbrochen haben; sonst gäbe es keine Einheit des Menschengeschlechts. Wir können es, weil uns gerade die spezifisch bösen Motive oder die spezifisch berechnete Zweckmäßigkeit der Handlung menschlich einsichtig ist.“[11]

Hannah Arendt

… und die geschilderten Handlungen geschehen mit unserem Wissen und Zutun – und mitunter auch zu unserem (kurzfristigen) persönlichen Vorteil!

Diskussion für die Entscheidungsfindung und Kompromiss als Entscheidung

Was bleibt, ist die Hoffnung, dass jeder Mensch irgendwann zur Einsicht kommen kann – so auch die besondere Verantwortung tragenden Menschen in Konzernzentralen und politischen Ämtern. Die hier genannten Personen werden stellvertretend genannt für einen größeren Kreis von Menschen in solch besonders verantwortlichen Positionen. Alle tragen sie aber diese herausgehobene Verantwortung. Und die Politik der zugehörigen Konzerne oder politischen Parteien wirft Zweifel daran auf, ob die Entscheidungen dort wirklich verantwortungsbewusst getroffen werden. Konzerne stellen von ihrer Größe und von ihren betriebswirtschaftlichen Interessen her für eine demokratische Gesellschaft eigentlich eine enorme Belastung dar. Denn sie übergreifen von ihren Wirkungen und Einflüssen nicht selten ganze Staatsgebiete, Staatsgrenzen und auch Kontinente ohne jede demokratische Legitimation. Gegenwärtig sind solche Konzerne aber existent. Entsprechend wichtig ist es also, dass die dort in verantwortlicher Position arbeitenden Menschen sich besonders um die Beachtung menschlicher und demokratischer Werte und Normen verdient machen. Für viele Fragen (Themen) gibt es keine einfachen Antworten. Aber dafür hat die demokratische Gesellschaft die Diskussion für die Entscheidungsfindung und den möglichst alle Interessen berücksichtigenden Kompromiss als Entscheidung – alles immer mit den unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage.

Wolfenbüttel, im Sommer 2011

Quellen

[1] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2011-05/Atomausstieg-Klage-Eon (Die Zeit Online vom 31.05.2011);

http://www.abendblatt.de/politik/article1928782/Energiekonzerne-fordern-Schadenersatz.html (Hamburger Abendblatt Online vom 19.06.2011);

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,771318,00.html (Der Spiegel Online vom 30.06.2011) und

http://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2011-07/enbw-klage-brennelemente-steuer (Die Zeit Online vom 15.07.2011).

[2] Dönhoff, Marion Gräfin: Zivilisiert den Kapitalismus: Zwölf Thesen gegen die Maßlosigkeit. Mit einem Vorwort v. Helmut Schmidt. München: DVA, 2005, S. 21.

[3] Quandt, Stefan: Aktionismus als Stilmittel deutscher Politik, http://www.tagesspiegel.de/meinung/aktionismus-als-stilmittel-deutscher-politik/4324140.html (Der Tagesspiegel Online vom 26.06.2011); Herr Quant macht sich hier wenigstens die Mühe, den Atomausstieg kritisch zu betrachten, zieht aber nach meiner Auffassung die falschen, das Risiko ignorierenden Schlüsse. – Ein – auch kritischer – Blick in die Geschichte der Familie Quandt liefert der entsprechende Wikipedia-Eintrag (http://de.wikipedia.org/wiki/Quandt_%28Familie%29).

[4] Kant, Immanuel: Anthropologie in pragmatischer Hinsicht. Hrsg. u. eingel. V. Wolfgang Becker. M. e. Nachw. V. Hans Ebeling. Stuttgart: Philipp Reclam jun., 1983 [(1) 1798], S. 241 ff. [auch: http://www.korpora.org/Kant/aa07/291.html und folgende Seiten].

[5] Bundesumweltministerium: http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/atomkonsens.pdf; und http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/atomkonsenskonsens_anlagen.pdf

[6] Vgl. Ekardt, Felix: Warum Atomenergie Grundrechte verletzt, http://m.lto.de/de/html/nachrichten/2877/streit_um_kernkraftwerke_warum_die_atomenergie_grundrechte_verletzt/ (Legal Tribun Online).

[7] Angesichts der verletzenden bis tödlichen Wirkung radioaktiver Strahlung, die auch 1978 bereits bekannt war, bleibt die Frage, warum das Bundesverfassungsgericht das Risiko seinerzeit als nur theoretisch eingestuft hat); vgl. z. B. May, John: Das Greenpeace-Handbuch des Atomzeitalters: Daten – Fakten – Katastrophen. A. d. Engl. v. Helmut Dierlamm u. Reiner Pfleiderer. Redaktionelle Betreuung Wolfram Ströle. München: Knaur, 1989; oder auch: http://www.freitag.de/community/blogs/aredlin/alle-6-jahre-ein-ernster-atomunfall-ein-akzeptables-restrisiko

[8] Vgl. http://www.bund.net/nc/bundnet/presse/pressemitteilungen/detail/zurueck/pressemitteilungen/artikel/roettgen-darf-debatte-um-akw-sicherheit-nicht-auf-technische-fragen-verengen-atomenergie-verstoesst/; sowie

http://openjur.de/u/166332.html;

http://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=BVerfG&Datum=08.08.1978&Aktenzeichen=2%20BvL%208/77;

http://dejure.org/dienste/rechtsprechung/BVerfG/139.html

und der volle Wortlaut des Bundesverfassungsgerichtsbeschlusses

http://lexetius.com/1978,2 oder

http://www.ejura-examensexpress.de/online-kurs/entsch_show_neu.php?Alp=1&dok_id=1457 (hervorzuheben sind hier die letzten Absätze).

[9] Vgl. z. B. die zahlreichen kritischen Veröffentlichungen des IPPNW zur Atomkraftnutzung in Deutschland, u. a. auch in den hier veröffentlichten Presseinformationen des IPPNW.

[10] Wohin solche Privatisierungen führen, zeigen viele Beispiele von den Kommunen angefangen bis hin zum Beispiel der Deutschen Bahn. Auf unangenehme Weise besonders interessant ist das Beispiel der Wasserversorgung von London. Genauer ausgeführt wird dies von der Initiative „Wasser in Bürgerhand“ http://www.wasser-in-buergerhand.de/nachrichten/2006/rwe_thames_water.htm und auch in einem Beitrag in Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Wasser_als_Handelsware).

[11] Arendt, Hannah: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft: Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft. Ungek. Taschenbuchausg. 11. Aufl. München: Piper, 2006 [(1) 1951], S. 946.

Gedanken zum Zeitgeist

In den Gedanken zum Zeitgeist erscheinen in loser Folge kritische Kommentare zur aktuellen gesellschaftlichen und politischen Entwicklung in Deutschland und der Welt. Die einzelnen Gedanken zum Zeitgeist fokusieren in der Regel ein Thema und setzen auch unterschiedliche Schwerpunkte.  Grundsätzliche Standpunkte wie auch der philosophische Unterbau werden dabei nicht jedes Mal neu dargelegt. Für ein besseres Verständnis der Basis der geäußerten Kritik ist es also sinnvoll, nach und nach alle Gedanken zum Zeitgeist zu lesen und auch die Seite Ostfalen-Spiegel.

I. Tapfer sterben für …

II. Der Finger in der Wunde

III. Die Demokratie lebt vom Diskurs

IV. Mehr Schein als Sein

V. Begründung einer Hoffnung

VI. Wer das Geld hat –

VII:.…

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April 7

Atomausstieg innerhalb weniger Jahre möglich

Ein Atomausstieg ist innerhalb weniger Jahre möglich

Ergänzungen zur heute veröffentlichten Studie von Greenpeace

Wolfenbüttel, 07.04.2011. (re) Ein Atomausstieg ist in wenigen Jahren möglich. Dies zeigt die gerade veröffentlichte Studie von Greenpeace wie auch andere ähnliche Studien. Allerdings ist dieser Ausstieg, der zugleich auch ein Umstieg sein wird, nicht ohne vielfältige gesellschaftliche Veränderungen möglich. Die Netzstrukturen müssen großräumig sein, um eine geordnete Lastverteilung hinzubekommen. Und die Netze müssen eine überschaubare Größe behalten und von Unternehmen der öffentlichen Hand, also Länder und Kommunen, betrieben werden, damit ein sinnvoller und gerechter Betrieb der Netze gewährleistet werden kann.

Dezentralisierung der Stromversorgung

Die Erhöhung der Wirkungsgrade, die Nutzung möglichst vieler für die regenerative Energiegewinnung geeigneter Bereiche und auch soziale und ökologische Aspekte sprechen für eine Dezentralisierung der Energieerzeugung. Windräder auf Ackerflächen, Photovoltaikanlagen auf Hausdächern und kleine Blockheizkraftwerke in z. B. Wohnanlagen werden einen nicht unbedeutenden Teil des benötigten Stroms liefern müssen.

Windräder südöstlich der Asse bei Wolfenbüttel (Foto: re)

Die also notwendige Dezentralisierung der Energieversorgung wird zu einer Umverteilung von Einflüssen (Macht) und Kapitalerträgen (Reichtum) führen. Dies wird entsprechende Widerstände zur Folge haben. Die Klage von RWE oder auch die Problematik, mit der die neue grün-rote Landesregierung in Baden Württemberg mit EnBW zu kämpfen hat, geben einen ersten Eindruck davon.

Chance für unsere Demokratie

Wahrscheinlich werden auch die Strompreise steigen, was bei den Stromverbrauchern zu Mehrkosten führen wird. Firmen und Privatpersonen gleichermaßen sollten sich also schon jetzt Gedanken machen über ein mögliches Einsparpotenzial bei ihren stromverbrauchenden Gerätschaften. Und der verstärkte Bau von Windrädern oder auch von Wasserkraftwerken wird immer wieder zu auch berechtigten Diskussionen über ökologische und landschaftliche Auswirkungen führen.

Es wird also künftig wahrscheinlich mehr den je zu öffentlichen Diskussionen über die Zukunft unserer Energieversorgung kommen. Bleibt zu wünschen und zu hoffen, dass dabei alle Beteiligten ihr Augenmaß nicht verlieren und sich auch ggf. in ihren (egoistischen) Einzelinteressen zu Gunsten lebender und künftiger Generationen zurücknehmen können. Dies ist dann zugleich eine Chance für unsere Demokratie.

Weitere Informationen:

Eine journalistische Aufbereitung der Arbeit von Greenpeace findet sich z. B. bei Spiegel-Online. Hier sind auch die zugehörigen Grafiken zu finden. Die taz berichtet heute von einer Studie des Fraunhofer-Instituts, die von einem möglichen Ausstieg bis 2020 spricht. In diesem Bericht wird das Thema etwas eingehender behandelt. Und Die Zeit zeigt in einem Bericht über Baden Württemberg und EnBW ein Beispiel für die Widerstände in den Großkonzernen.

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März 18

Technik – Was ist wesentlich?

Was ist wesentlich?

Atomkraft – Über die Nutzung einer unbeherrschbaren Technik

Kommentar – im Ostfalen-Spiegel

Von Rainer Elsner

In Japan hat ein Erdbeben für die starke Beschädigung eines Atomkraftwerkes gesorgt. Dieser Schaden ist dabei, in eine Katastrophe ähnlichen Ausmaßes zu münden, wie dies bei der Havarie des Atomkraftwerkes in Tschernobyl 1986 der Fall war und wozu es bereits einige Jahre zuvor, 1979, in dem Kernkraftwerk[1] Three Mile Island bei Harrisburg in den USA beinahe gekommen wäre. Vor dem Hintergrund der Gefahren für Leib und Leben von unzähligen Menschen stellt sich die Frage: Was ist wesentlich?

Zunächst muss die weltweit in großem Umfang erfolgende bedenkenlose Nutzung einer im Zweifel nicht beherrschbaren Technik wie der Kernenergie[1] kritisch betrachtet werden. Dies sind wir auch den nun durch das Erdbeben leidenden Menschen in Japan schuldig, denn sie sind durch diese Technik einer zusätzlichen Gefahr ausgesetzt. Es stellt sich dann die Frage, warum wir Menschen eine gefährliche Technik wie die Atomenergie seit Jahrzehnten relativ sorglos einsetzen. Umso mehr stellt sich diese Frage, da sich die Risiken nicht in der Möglichkeit einer nuklearen Katastrophe erschöpfen und die Atomkraft auch nicht die einzige unbeherrschbare Risikotechnik ist.

Unbeherrschbares Erbe

Denn wenn bei strahlenden Abfällen durch die Halbwertszeit der radioaktiven Elemente zumindest theoretisch noch ein Ende des Problems gesehen werden kann, so ist dies bei einer anderen von uns angewandten Technik schlicht nicht möglich. Wir überlassen unseren Kindern und Kindeskindern also ein gewaltiges unbeherrschbares Erbe.

Was in der Auseinandersetzung um die Atomkraft bisher wenig beachtet wird, ist die Gentechnik. Dies geschieht wohl auch aus dem verbreiteten Hang zum einfachen Denken. Mit der Gentechnik, vor allem der sorglosen Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen, haben wir aber eine nach der Atomkraftnutzung weitere Stufe verantwortungsloser technischer Bearbeitung unserer Lebenswelt betreten! Einmal in die freie Natur entlassen kann niemand (!) vorhersagen, was diesem massiven Eingriff in die – eigenen Gesetzen folgende – Natur nachkommt.

Und dann stellen sich uns viele Fragen! Wer hat all dies zu verantworten, was eigentlich niemand verantworten kann? Und warum handeln Menschen so verantwortungslos? Wem nutz es? Was folgt als nächstes in dieser verhängnisvollen Entwicklung? Und können wir diese Entwicklung noch stoppen?

Abschließende Antworten kann und will ich hier nicht liefern. Vielmehr will dieser Kommentar möglichst viele Menschen zum kritischen Nachdenken anstoßen – zum Nachdenken über unseren gedankenlosen Einsatz jedweder verfügbarer Technik und über die damit verbundenen Verantwortlichkeiten.

Wer trägt die Verantwortung?

Wer trägt die Verantwortung? Völlig zu Recht müssen wir uns zunächst alle selbst in die Pflicht nehmen, denn eigentlich immer, besonders aber in einem demokratischen Gemeinwesen verantworten alle Glieder eines Gemeinwesens die Handlungen dieses Gemeinwesens. Dann aber stellt sich auch die Frage nach den Machtverhältnissen? Ganz offensichtlich schauen wir dann auf Politikerinnen und Politiker. Doch auch die Bundeskanzlerin – mit ihrem fragwürdigen Moratorium – oder der Bundestag entscheiden nicht allein! Ein nicht unbedeutender Teil der Macht in unserem Gemeinwesen – übrigens grenzübergreifend, also weltweit – befindet sich tatsächlich in den Händen von Konzernen – und in manchen Ländern auch von Oligarchen. Und dann suchen und fragen wir eben auch diese meist mehr im Hintergrund operierenden Menschen.

Wo liegt die Verantwortung bei der Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen? Und welchen Nutzen hat die Gentechnik in der Landwirtschaft? Für die Menschheit hat sie wenig Nutzen aber unübersehbare Risiken, für die Konzerne Bayer/Aventis, Monsanto, Syngenta und DuPont jedoch bringt sie riesige Gewinne!

Und bei der Atomkraft? Im aktuellen Beispiel der Atomenergie liegt in Deutschland ein wesentlicher Anteil der Verantwortung bei den vier großen Energieversorgungskonzernen, E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall Europe, und da dann vorrangig in den Händen der Unternehmensführung vertreten durch den jeweiligen Vorstandvorsitzenden (aber dennoch auch bei den Aktionäre und Kunden!). Wenn wir nach der Verantwortung fragen, dann müssen wir also auch und gerade die – demokratisch nicht legitimierten, wohl aber auf die gesamte Gesellschaft Einfluss nehmenden – Unternehmensführungen und konkret die Vorstandvorsitzenden fragen, ob sie diese genannten Gefahren verantworten können? Und ganz konkret können wir zum Beispiel den Vorstandvorsitzenden der E.ON AG (dem hauptsächlichen Versorger hier in Ostfalen) ein paar Fragen stellen: Das Atommüllendlager ASSE II bei Wolfenbüttel. Geht der Vorstandsvorsitzende der E.ON AG mit hinunter in das Bergwerk? Hilft er unter Bedrohung seiner Gesundheit bei der Bergung der radioaktiven Abfälle mit? Und bei einem drohenden „Super-GAU“ im hier nächstgelegenen AKW Grohnde bei Hameln. Was würde er wohl empfinden, wüsste er, dass eines seiner Kinder unmittelbar vor Ort ist? Oder er selbst, geht er bei einem drohenden „Super-GAU“ vor Ort in den Gefahrenbereich, um die Katastrophe abzuwenden? Ist der Vorstandvorsitzende der E.ON AG folglich bereit, seine eigene Gesundheit und sein eigenes Leben und nicht nur das Leben von Mitarbeitern und Rettungskräften zu riskieren? Das müssen wir fragen und daraus ergibt sich dann ein Appell auch an diese Verantwortungsträger!

Was ist also wesentlich?

Was ist also wesentlich? Wesentlich ist, dass sich jeder einzelne Mensch in unserem Gemeinwesen seiner Verantwortung bewusst wird. Wesentlich ist, dass sich jeder Mensch an die eigene Betroffenheit erinnert. Wesentlich ist, dass sich jeder Mensch des ihm innewohnenden Gefühls der Verbundenheit mit den anderen Menschen bewusst wird. Es ist also nicht nur eine Frage der eigenen Verantwortung, sondern davor eine Frage der eigenen Würde, also letztlich der eigenen Vernunft (nicht des einfachen Verstandes!), was wir als wesentlich anerkennen und zum Maßstab unseres Handelns erklären!

„Vernunft ist in Bewegung ohne gesicherten Bestand.
Sie drängt zur Kritik jeder gewonnenen Position, steht daher im Gegensatz zu der Neigung, sich durch endgültige feste Gedanken vom weiteren Denken zu befreien.“[2]

„… es ist ein Wunder, … daß in der Vernunft eine Kraft der Selbsterhaltung liegt, die als Freiheit immer wieder wirklich wird. Vernunft ist wie ein offenbares Geheimnis, das jederzeit jedem kund werden kann, der stille Raum, in den jeder einzutreten vermag durch eigenes Denken.“[3]

Karl Jaspers

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Weitere Informationen

Das Beispiel AKW Grohnde, weniger als 100 km Luftlinie entfernt von Braunschweig. Folgende sicherheitsrelevante Informationen hat Greenpeace im Herbst 2010 im Greenpeace Magazin 06/2010 veröffentlicht:

  • Meldepflichtige Ereignisse pro Jahr: 8,46 (Einstufung: viel)
  • Konstruktionsbedingte Sicherheitsmängel: In der 3. Baulinie wurden einige Sicherheitssysteme verbessert. Dennoch ist das aus den 70er-Jahren stammende Kraftwerksdesign stark veraltet. Beim gezielten Absturz eines großen Verkehrsflugzeugs würde die Betonhülle bersten.
  • Zwischenfälle (Auswahl):
    1985: Das Hochdruck-Notkühlsystem ist nicht einsatzfähig, weil eine der vier Pumpen Gas statt Wasser enthält. 
Ein Leck im Primärkühlkreislauf hätte somit zur Kernschmelze führen können.
    1990: An 18 Zentrierstiften, die verhindern sollen, 
dass sich Brennelemente verschieben, werden während einer Revision Schäden entdeckt.
    2005: Wegen verschiedener Störungen wird im Juni binnen zwei Wochen zweimal eine Schnellabschaltung ausgelöst.
    2010: Im August werden bei der jährlichen Revision an einer Anlage zur Abwasseraufbereitung ein Leck und eine räumlich begrenzte radioaktive Kontamination entdeckt. [4]

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Quellen und Hinweise

[1] Begriffserklärung: Kernkraftwerk und Kernenergie werden von den Befürwortern der Atomkraft erst etwa seit den 1960er Jahren vorrangig verwandt. Zuvor waren hauptsächlich Begriffe mit der Vorsilbe Atom im Gebrauch. Unter anderem wegen einer Abgrenzung zur Atombombe wurde dann auf Seiten der Befürworter die harmloser klingende Vorsilbe Kern eingeführt. Kritiker der Atomenergie behielten die Vorsilbe Atom und die Bezeichnung Atomkraft bei.

[2] Jaspers, Karl: Vernunft und Widervernunft in unserer Zeit: Drei Vorlesungen. Neuausg. 3. Aufl. München: Piper, 1990 [(1) 1950], S. 34.

[3] Jaspers, Vernunft, S. 71.

[4] Hassenstein, Wolfgang: „Nukleares Roulette“ in greenpeace magazin 6.10, S.31 ff.

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März 16

25 Jahre Tschernobyl – Bundesweite Demonstration auch in Ostfalen

25 Jahre Tschernobyl – AKWs endlich abschalten!

Bundesweite Demonstration an dreizehn Atomstandorte

Wolfenbüttel/Salzgitter, 16.03.2011. (re) Ein Bündnis aus Anti-Atom-Initiativen, Umweltverbänden und Friedensinitiativen organisiert anlässlich des 25. Jahrestages der Reaktor-Katastrophe von Tschernobyl eine bundesweite Gedenk- und Protestaktion. Vor dem Hintergrund der tragischen Vorfälle in Japan erscheint diese mahnende Aktion aktueller denn je. Die Veranstalter schreiben auf ihrer Internetseite:“Ausgerechnet Ostermontag, am 25. April, findet die nächste bundesweite Demonstration gegen Atomenergie statt. Denn manche Anlässe lassen sich eben nicht verschieben: Am folgenden Tag jährt sich die Reaktor-Katastrophe von Tschernobyl zum 25. Mal und die Forderung ist, endlich Konsequenzen zu ziehen und die Atomkraftwerke abzuschalten. Darum werden zeitgleich an zehn Reaktor-Standorten und drei weiteren Atom-Standorten große Aktionen stattfinden.”

Ausstiegs-Haltestellen in der gesamten Region

Das Braunschweiger Land ist einer der drei weiteren Atom-Standorte, an denen Aktionen stattfinden sollen. Mit den aktiven Endlagern Morsleben und ASSE II sowie dem im Bau befindlichen Endlager Schacht KONRAD ist das Braunschweiger Land, also ein bedeutender Teil von Ostfalen, von der Atomenergienutzung stark und nachhaltig betroffen. Im Braunschweiger Land ist es geplant, möglichst in der ganzen Region kleinere und größere Aktionen durchzuführen. Dazu sollen sogenannte Ausstiegs-Haltestellen dienen. Nähere Informationen finden sich auf der Internetseite der bundesweiten Initiative und auf der Internetseite der Arbeitsgemeinschaft Schacht KONRAD e. V.

Abschlusskundgebung am Schacht Konrad

Von 14:00 bis 16:00 Uhr ist an diesem Tag dann eine Abschlusskundgebung auf der Industriestraße Nord vor Schacht KONRAD geplant.

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März 15

Ostfalen-Spiegel: Den Atomausstieg selber machen

Ostfalen-Spiegel wechselt zu Stromversorgung absolut ohne Atomkraft

Den Atomausstieg selber machen!

Wolfenbüttel, 15.03.2011. (re) Bereits seit Jahren bezieht die Redaktion laut ihrem Energieversorger ihren Strom zu einhundert Prozent aus erneuerbaren Energiequellen frei von Atom- und Kohlestrom. Bei vielen Anbietern ist dies allerdings nur ein Tarif neben Tarifen mit Atom- und Kohlestrom (meist von den vier großen deutschen Energieversorgern und Atomkraftwerksbetreibern). Entsprechend werden diese Energieversorger mindestens indirekt weiter unterstützt. Hinzu kommt, dass nur ein stetiger Zubau von ökologisch verträglichen Kraftwerken zu einem tatsächlichen Atomausstieg führt.

Atomkonzern E.ON hält einen Anteil von 26 Prozent an den Stadtwerken Wolfenbüttel

Bereits vor dem Erdbeben und dem damit verbundenen atomaren Notstand in Japan hat die Redaktion den Wechsel zu Greenpeace Energy eingeleitet. Ausschlaggebend für die Entscheidung für diesen Anbieter sind der konsequente Vertrieb von ökologisch verträglichem Strom ohne Atom und Kohle, der Bau eigener, sauberer Kraftwerke und das Genossenschaftsmodell. Hinzu kommen die Besitzverhältnisse des bisherigen Stromversorgers, der Stadtwerke Wolfenbüttel. Der große Atomkonzern E.ON AG hält über den Regionalversorger E.ON Avacon AG einen Anteil von 26 Prozent an den Stadtwerken Wolfenbüttel (die übrigen 74 Prozent gehören der Stadt Wolfenbüttel). Somit wurde der Energieversorger E.ON auch direkt unterstützt. Dies gab den letzten Anstoß zum Wechsel.

Atomausstieg selber machen

Die Redaktion des Ostfalen-Spiegels empfiehlt allen Leserinnen und Lesern, dringend über den eigenen Atomausstieg nachzudenken. Dabei ist Greenpeace Energy nicht der einzige empfehlenswerte Energieversorger! Sowohl für den eigenen Haushalt als auch für Gewerbebetriebe ist ein selbstgemachte Atomausstieg jederzeit möglich. Die Initiative “Atomausstieg selber machen”, ein Bündnis von Umweltverbänden, Verbraucherschutz-Organisationen und Anti-Atom-Initiativen, fordert seit 2006 dazu auf : “Wir rufen alle Menschen und Unternehmen in Deutschland dazu auf, kein Geld mehr an die Atomkonzerne und ihre Tochterunternehmen zu zahlen.” Auf der Internetseite von “Atomausstieg selber machen” finden sich zahlreiche Informationen zum persönlichen Atomausstieg und Empfehlungen für wirklich unabhängige Stromanbieter.

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