Oktober 13

#7: Die deutsche Energiewendepolitik ist ein verantwortungsloser Etikettenschwindel

Die deutsche Energiewendepolitik ist ein verantwortungsloser Etikettenschwindel

Denk-Anstoß #7 – im Ostfalen-Spiegel

Ein kurzer polemischer Kommentar

Von Rainer Elsner

Wenn wir die etablierten Medien studieren, Leserbriefe lesen und Wirtschaftsführer hören, dann kann schnell der Eindruck entstehen, wir hätten kein größeres Problem als steigende Strompreise*. Und schuld daran ist allein die Ökostromabgabe. – Einfache Lösungen werden dann auch schnell präsentiert. Von Ökostromabgabe weg und sonst weiter so wie bisher bis hin zu riesigen Bioenergieplantagen oder heilsbringenden Fusionskraftwerken reichen die selten zu Ende gedachten Vorschläge.

Und die etablierte Presse macht das opportun und verantwortungslos häufig munter mit. Immer wieder finden sich Überschriften und Berichte, die die dringend notwendige Energiewende direkt oder indirekt hintertreiben – ganz im Sinne der noch amtierenden Bundesregierung. Denn diese hat zwar 2011 – ganz öffentlichkeitswirksam – draußen Energiewende draufgeschrieben. Doch drinnen ist es bei ihrer bisherigen allein konzernfreundlichen Politik geblieben. Dir FDP, die das mit Rößler und Brüderle besonders offen getan hat, wurde dafür bei der Wahl wenigstens abgestraft. Ganz anders aber die Partei der Kanzlerin Merkel. Die CDU hat sogar noch zugelegt – obwohl ihre Energiewendepolitik auf bundesebene ein einziger verantwortungsloser Etikettenschwindel war (und ist)**.

beim Bremsen entsteht ja immer Wärme

Die Energie-Konzerne bekommen ihre für Deutschland unsinnigen Offshore-Windparks zu ihren Kohle- und Atom-Großkraftwerken hinzu, um weiter ihre Marktmacht ausüben zu können und andere Konzerne und Großbetriebe ihre Befreiung von der Ökostromabgabe. Energie und CO2-Ausstoß sparen wir so nicht. – Und Mittelstand, Kleinunternehmen (vermutlich viele von beiden Wähler der noch amtierenden Regierungsparteien) und Bürgerinnen und Bürger bekommen die Strompreisbremse, die in Wahrheit nicht den Strompreis bremst (zumindest nicht für die zuletzt genannten drei Gruppierungen), sondern für die Konzerne die Gewinne weiter in die Höhe treibt und ganz nebenbei das Klima aufheizt. Fast ist man versucht, zu sagen: Klar doch, beim Bremsen entsteht ja immer Wärme.

Man mag diskutieren, wie man will. Eine vernünftige Bewertung aller aktuellen Informationen über den Klimawandel kann nur zu dem Schluss kommen: Wir müssen handeln – und zwar jetzt! Die verschwindend geringe Wahrscheinlichkeit, dass die (ja bereits stattfindende) menschengemachte Erderwärmung doch nicht so dramatisch ausfällt wie prognostiziert, sollte nicht dazu veranlassen, noch so lange wie möglich mit den notwendigen Handlungen zu warten. Denn dann ist es sicher zu spät (wenn dies nicht jetzt bereits der Fall ist). Die Frage lautet also nicht: Wie können wir etwas für den Klimaschutz und etwas für die Wirtschaft tun? Sondern sie lautet: Wie können wir künftig mit vollem Klimaschutz wirtschaften? Ohne Industrie (was ich hier nicht propagieren will) kann der Mensch schlimmstenfalls leben, auf verbrannter Erde nicht. Verantwortungsbewusstes Handeln bedeutet also: die Energiewende muss beschleunigt und nicht ausgebremst werden.

Wenn wir es schaffen, es vormachen, dann werden uns andere folgen

Und wir haben nichts zu verlieren, wenn wir handeln. Alle traditionellen Formen der Energiegewinnung basieren ausnahmslos auf endlichen Ressourcen. Den für unsere Industriegesellschaft zentralen Rohstoff, das Erdöl, haben wir innerhalb von weniger als 200 Jahren bereits zu mehr als der Hälfte verbrannt (das meiste davon in den letzten Jahrzehnten). Auch ohne Erderwärmung (und bei Ausblendung der Risiken der Atomkraft) wäre also ein Umdenken notwendig. Und die ganze Welt schaut seit 2011 auf Deutschland als eine der führenden Industrienationen! Wir sind quasi das Labor. Wenn wir es schaffen, es vormachen, dann werden uns andere folgen. Wenn wir es nicht schaffen, … tja dann … Unsere Erfolgsaussichten schwinden aber mit jedem Tag.

Und ganz nebenbei stärkt die (echte Bürger-) Energiewende durch ihre dezentralen und bürgernahen Strukturen auch noch unsere Demokratie. – Ist es das vielleicht, wovor die heute Mächtigen Angst haben? – Denn die Energieversorgung ist ein großer Machtfaktor. Heute hängen wir größtenteils noch an den „Kanülen“ der Konzerne, morgen versorgen wir uns selbst mit erneuerbarer Bürgerenergie.

setzt Euch ein für das Gelingen der Energiewende!

Also, liebe Leserinnen und Leser. Fangt endlich an, die Dinge wirklich zu hinterfragen und setzt Euch ein für das Gelingen der Energiewende! Denn es nutzt Euch genauso wie Euren Kindern. Wo kann ich anfangen fragt Ihr? Informiert Euch:

  • Der Gründer des Energieunternehmens juwi Mattias Willenbacher beispielsweise beschreibt in seinem jüngst erschienen Buch „Mein unmoralische Angebot an die Kanzlerin“ gut verständlich und sehr eindringlich die Notwendigkeit, die Möglichkeiten, die Vorteile und nicht zuletzt die Machbarkeit der Energiewende. Und zwar nicht erst irgendwann in ferner Zukunft, wie das die Bundesregierung beschlossen hat, sondern 100 % Erneuerbar bis 2020! Und ganz nebenbei erfahren wir, dass Frau Merkel die Zubereitung von Chicorée wichtiger ist als die Energiewende. Wer hätte das gedacht? Das kompakte Taschenbuch ist also absolut lesenswert, informativ und unterhaltsam dazu.
  • Unterstützt Initiativen wie „Die Bürgerenergiewende„.
  • Und / oder macht Eure Stadt auch zu einer Transition Town, einer Energiewendestadt.

Auf geht’s!

Wolfenbüttel, 13. Oktober 2013

*Das steigende Stromkosten für finanziell schlecht gestellte Menschen wie z. B. Empfängern des ALG2 durchaus ein Problem sein können, ist mir sehr wohl bewusst. Das aber ist ein z. B. über entsprechend geänderte (ohnehin die Energiewende besser fördernde) Tarifstrukturen lösbares Problem.

**Mir ist bekannt, dass es auf kommunaler Ebene überall in Deutschland (zum Glück) viele CDU-Politiker und -Politikerinnen gibt, die die Energiewende ernsthaft unterstützen und vorantreiben wollen. Aber das ändert leider nichts an der entgegengesetzten Bundespolitik. Jüngstes Beispiel ist die Aufweichung der CO2-Grenzwerte  für PKW in der EU im Sinne der deutschen Automobilindustrie.

Anmerkung: Das ist ein zügig geschriebener, bewusst polemisch gehaltener Kommentar. Die sonst üblichen Hintergrundverweise und Quellenangaben lasse ich bis auf einige unmittelbare Empfehlungen weg. Zu diesem Thema finden sich hier im Ostfalen-Spiegel bereits einige Beiträge von mir und unzählige Beiträge aus anderen seriösen Quellen. Und das erst kürzlich erschienene genannte Buch von Matthias Willenbacher liefert außerdem relativ kurz und prägnant einen guten Überblick.


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Veröffentlicht13. Oktober 2013 von Schriftleiter in Kategorie "Aktuell", "Anstoß", "Energie", "Klima", "Kommentare", "Menschen- u. Bürgerrechte", "Politik und Gesellschaft", "Wirtschaft

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